Asylrechtsprechung

EuGH: Keine systemischen Mängel in Italien angenommen

Auswertung der Jawo-Entscheidung des EuGH und des darauf basierenden Urteils des VGH BW

Der VGH BW hatte in der Sache Jawo gegen die Bundesrepublik Deutschland am 3. April 2017 den EuGH angerufen, Normen aus der Dublin-Verordnung sowie aus der Grundrechtecharta auszulegen. In der Klage wurde geltend gemacht, dass bei Rücküberstellung nach Italien ein Verstoß gegen die Rechte des Klägers aus Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) vorliegen würde, da systemische Mängel im Asylsystem Italiens bestehen würden, die eine Menschen unwürdige Behandlung für Dublin-Rückkehrer*innen zur Folge hätten. Auch wurde geltend gemacht, die Rücküberstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO wäre abgelaufen und Deutschland demnach für die Prüfung seines Asylantrags zuständig. Die Frist hätte sich nicht gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf 18 Monate verlängert, da er nicht flüchtig gewesen sei. Der EuGH sollte zum einen eine Antwort darauf geben, wann eine Person nach dem Dublinverfahren als flüchtig gilt. Diese Frage wurde vom EuGH nicht beantwortet, der VGH BW musste seine Frage konkretisieren und geht in seinem Urteil davon aus, dass eine Person flüchtig ist, wenn man objektiv den Aufenthaltsort der Person nicht kennt und diese sich subjektiv vor einer drohende Abschiebung durch eine „Fluchthandlung“ entziehen möchte. Zum anderen sollte der EuGH die Frage klären, ob systemische Mängel im italienischen Asylsystem bestünden, dies wurde verneint. Der EuGH stellt außerdem fest, dass auch Personen, die einen Schutzstatus in einem anderen Staat erhalten haben, einer Rückführung in diesen eine Verletzung der Menschenwürde gemäß Art. 4 GrCH entgegenhalten können. Im Folgenden werden die Antworten des EuGh, sowie die Entscheidungsgründe des VGH BW in der Sache Jawo näher dargestellt.

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VG Stuttgart: Keine Abschiebung einer Frau die mit dem Kind eines Deutschen schwanger ist

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat im Falle einer drohenden Dublin-Überstellung einer schwangeren Frau nach Italien die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet (Beschluss vom 19.8.2019, Az. A 16 K 5102/19). Ausschlaggebend war, dass der Kindsvater, der die Vaterschaft anerkannt hatte, deutsche Staatsangehöriger ist. So lieg nach Auffassung des Gerichts ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor.

VGH Mannheim: Kein Abschiebungsverbot wegen Lebensmittelknappheit in Somalia

Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) sieht keinen Grund, Abschiebungen nach Somalia generell zu verbieten. In einem in Mannheim veröffentlichten Urteil kassierte das Gericht damit eine Entscheidung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts (VG), das dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung eines Somaliers wegen konkreter Gefahr für Leib und Leben verboten hatte. Die Mannheimer Richter sehen dagegen keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Somaliers bei einer Rückführung nach Mogadischu.

VG München: Rückschiebung aufgrund von "Seehofer-Deal" rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht München hat in einem Eilverfahren angeordnet: Ein Afghane, der nach dem deutsch-griechischen Verwaltungsabkommen — dem sogenannten "Seehofer-Deal" — von der deutsch-österreichischen Grenze direkt nach Griechenland abgeschoben wurde, ist umgehend zurückzuholen.

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Flüchtlingsanerkennung für Angehörige der "Kirche des Allmächtigen Gottes" aus China

Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Sigmaringen und Freiburg

Nachdem das Verwaltungsgericht Karlsruhe bereits im vergangenen Jahr in zwei Verfahren (Urteil von 4.5.2018, Az: A 6 K 7906/16 sowie Urteil vom 12.6.2018, Az: A 6 K 436/17) Angehörigen der christlichen Glaubensrichtung "Kirche des Allmächtigen Gottes" als Asylberechtigte anerkannt hat, haben auch die Verwaltungsgerichte Sigmaringen (Urteil vom 29.1.2019, Az: A 3 K 436/17) und Freiburg (Urteil vom 21.12.2018, Az: A 9 K 4943/16) festgestellt, dass Angehörigen dieser Kirche Verfolgung droht. Der Umstand, dass die Personen teilweise legal ausgereist sind, spricht entgegen der Annahme des BAMF nicht gegen eine Verfolgung durch den Staat.

VG Stuttgart: Flüchtlingsanerkennung für Frau aus Tunesien wegen drohender Zwangsverheiratung

Tunesien soll nach dem Willen der Bundesregierung und der Landesregierung Baden-Württembergs zum "Sicheren Herkunftsstaat" erklärt werden. Dass das Land nicht ganz so sicher ist, wie es sich einige Politiker*innen gerne vorstellen, zeigt ein aktuelles Urteil des VG Stuttgart (Aktenzeichen: A 5 K 16660/17), wonach einer tunesischen Frau die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Sie war wegen drohender Zwangsverheiratung geflohen.

VG Stuttgart: Wohnsitzauflage rechtswidrig wenn hinreichende Deutschkenntnisse vorhanden

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in einer Entscheidung vom 27. Juni (Aktenzeichen 8 K 2485/19) die aufschiebende Wirkung eines Einspruches gegen eine Wohnsitzauflage nach § 12 a Absatz 3 AufenthG angeordnet. Dabei kam es darauf an, dass die betroffene Person bereits das Deutsch-Niveau B1 nachweisen konnte, so dass die im Gesetz enthaltene Begründung für die Wohnsitzauflage (Wohnraumversorgung, Erwerb von Deutschkenntnissen, Integration in den Arbeitsmarkt) in diesem Fall nicht zutreffe. Die Wohnsitzauflage sei nur dann gerechtfertigt, wenn sie für alle drei der genannten "Integrationsaspekte" notwendig sei. Da der Betroffene bereits Deutschkenntnisse über das Niveau A2 ("hinreichende Deutschkenntnisse" hinaus erworben hat, sei die Wohnsitzauflage nach Ansicht des Gerichts rechtswidrig.

OVG Berlin-Brandenburg: Eilrechtsschutz gegen Überstellung nach Bulgarien

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am 15. November 2018 (Aktenzeichen: OVG 3 S 87.18) im Falle eines in Bulgarien anerkannten Schutzsuchenden die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsandrohung nach Bulgarien angeordnet. Das VG Berlin hatte zuvor keine Bedenken gegen eine Abschiebung nach Bulgarien, das OVG äußerte allerdings Bedenken, ob die Aufnahmebedingungen für anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien mit Art. 3 EMRK vereinbar sind.

Rechtsprechungsübersicht von www.asyl.net zum Schutzstatus von Eritreer*innen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben

Asylsuchenden aus Eritrea wird, seitdem sich die BAMF-Entscheidungspraxis hierzu geändert hat, häufig nur noch subsidiärer Schutz statt Flüchtlingsschutz zuerkannt. Eine in diesen Fällen häufig diskutierte Frage ist, welcher Schutzstatus Personen zu gewähren ist, die sich dem Nationaldienst durch Flucht entzogen haben. Die Gerichte hatten Betroffenen in solchen Fällen vielfach Flüchtlingsschutz zugesprochen, inzwischen wird aber vermehrt abgelehnt, dass die drohende Verfolgung flüchtlingsrelevant sei.

VG Freiburg zum Familienasyl: Unverzüglich heißt nicht immer zwei Wochen

Mit Urteil vom 16. April 2019 (Aktenzeichen: A 5 K 2488/18) hat das VG Freiburg entschieden, dass auch ein mehr als vier Wochen nach Einreise gestellter (förmlicher) Asylantrag ausnahmsweise noch unverzüglich im Sinne der Vorschriften über das Familienasyl (§ 26 AsylG) sein kann. Was war passiert:

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