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EuGH: Keine systemischen Mängel in Italien angenommen

Auswertung der Jawo-Entscheidung des EuGH und des darauf basierenden Urteils des VGH BW

Der EuGH hat in seinem Urteil (EuGH ECLI:EU:C:2019:218) angenommen, dass eine Verletzung des Art. 4 GRCh in jedem Stadium des Asylverfahrens und nach Abschluss vorliegen kann. Das heißt, auch eine Person die bereits einen Schutzstatus in einem anderen Land erhalten hat, kann sich auf Art. 4 GRCh berufen. Der Prüfungsmaßstab erfährt dabei keine Neuerungen.

Der VGH BW legt in seinem Urteil (VGH BW VGH A 4 S 749/19) die Kriterien des EuGH-Urteils sehr weit aus und bedient sich dabei vor allem der vom EuGH verlangten hohen Erheblichkeitsschwelle einer Verletzung des Art. 4 GRCh, in Wechselwirkung zum Prinzip der gegenseitigen Anerkennung im Dublinverfahren. Der VGH BW geht im Gegensatz zum EuGH, in seinem Urteil auf den veränderten Prüfungsmaßstab für eine Verletzung des Art. 4 GRCh für besonders schutzbedürftige Personen ein. Eine Neuerung ist dies allerdings nicht. Ferner wurde vom VGH BW festgestellt, dass ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh nicht automatisch zum Selbsteintritt Deutschlands nach dem Dublinverfahren führt. Lediglich die Rückführung in den Dublin-Staat wird ausgesetzt.

Der EuGH liefert eine sehr schwammige Begriffsbestimmung zur Auslegung des „Flüchtigseins“. Im Ergebnis hält er offen, ob man für die Feststellung sowohl ein objektives Kriterium (unbekannter Aufenthaltsort der Person) als auch ein subjektives Kriterium (das gezielte Entziehen vor den Behörden) benötigt. In dem vom EuGH genannten Beispiel, das sich am vorgelegten Fall orientiert, sind beide Kriterien erfüllt. Er nimmt an, dass eine Person flüchtig sei, wenn sie entgegen einer Wohnauflage, ihrer Meldepflicht bei Verlassen ihrer Wohnung nicht nachkommt, wenn sie ordnungsgemäß über diese Pflicht belehrt wurde. In einem solchen Fall, sei eine Entziehungsabsicht vor den Behörden konkludent gegeben. Er stellt auch fest, dass es gerichtlich überprüfbar sei, ob eine Person gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO flüchtig ist. Die Person kann die Entziehungsabsicht widerlegen, wenn sie plausibel darlegt, dass sie nicht in Entziehungsabsicht vor den Behörden ihre Wohnung verlassen hat.

Der VGH BW nimmt für ein „Flüchtigsein“ an, das sowohl ein objektives als auch ein subjektives Element gegeben sein müssen. Eine Belehrung bezüglich einer möglichen Überstellungsfristverlängerung durch das „Flüchtigsein“ sei nicht nötig. „Eine 'Flucht' im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO setzt objektiv ein Nichterreichen und subjektiv ein Entziehenwollen voraus. Etwa im Falle des offenen Kirchenasyls liegt demnach keine Flucht vor. Hat der Antragsteller die ihm zugewiesene Wohnung für eine gewisse Dauer verlassen, ohne - nach entsprechender Pflichtenbelehrung - die zuständigen Behörden über seine Abwesenheit zu unterrichten, ist das subjektive Entziehenwollen zu unterstellen, wenn der Antragsteller dies nicht durch stichhaltige Gründe widerlegt.“ (S. 2)

 

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