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VGH BW ruft Europäischen Gerichtshof wegen Dublin-Überstellungen nach Italien an

Systemische Mängel künftig für Italien anzunehmen?

Mit Beschluss vom 15. März 2017 (Az.: A 11 S 2151/16) legt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einige Fragen zur Zulässigkeit von Dublin-Überstellungen vor. Insbesondere für Personen, die von Dublin-Überstellungen nach Italien betroffen sind, hat ein Aspekt besondere Relevanz: So wirft der VGH die Frage auf, ob für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Überstellung nach der Dublin-III-VO auch die Zeit nach einem positiv abgeschlossenen Asylverfahren in den Blick genommen werden muss. Nach Auffassung des VGH bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die in Italien herrschenden Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte, also für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, (noch) schlechter sind als für Menschen, die sich noch im Asylverfahren befinden. Die Bedingungen während des Asylverfahrens in Italien sehen die baden-württembergischen Gerichte jedenfalls für junge gesunde Männer grundsätzlich als menschenrechtlich noch akzeptabel an. Sollten die Bedingungen im Anschluss an ein positives Asylverfahren allerdings nicht den menschen- und grundrechtlichen Standards von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh entsprechen, stehe diese absehbare Rechtsverletzung bereits der Überstellung eines Asylsuchenden entgegen, die der Durchführung eben jenes Asylverfahrens diene. Die Phase nach dem Asylverfahren darf nach Ansicht des VGH also nicht ausgebelendet werden. Dabei sei zu beachten, dass sich Flüchtlinge aufgrund ihrer Entwurzelung und ihres dadurch bedingten speziellen Schutzbedarfs in einer im Vergleich zur inländischen Bevölkerung deutlich schlechteren Ausgangssituation befinden.

Stimmt der EuGH dieser Sichtweise zu, könnte dies dazu führen, dass Überstellungen nach Italien ausgesetzt werden müssen, wenn die Lebensbedingungen in Italien für anerkannte Flüchtlinge tatsächlich menschenrechtlich inakzeptabel sind. Für die aktuelle Beratungspraxis bedeutet dies: Bei drohenden Überstellungen nach Italien kann es nun auch bei alleinstehenden jungen Männern sinnvoll sein, neben der Klage einen Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellen, solange der EuGH noch nicht über die vom VGH aufgeworfenen Fragen entschieden hat. Die konkrete Vorgehensweise sollte in Absprache mit einem fachkundigen Rechtsanwalt besprochen werden. Ein Musterschriftsatz kann bei Bedarf über die Geschäftsstelle angefragt werden.

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