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Urteil des VGH Baden-Württemberg eröffnet Klagemöglichkeit trotz (vermeintlich) versäumter Klagefrist

VGH Baden-Württemberg erklärt Standard-Rechtsbehelfsbelehrung des BAMF für „unrichtig“ (aktualisiert am 11.05.2017)

Lehnt das BAMF einen Asylantrag (teilweise) ab, muss es dem Bescheid eine Belehrung darüber beifügen, wie sich der*die Antragsteller*in gerichtlich gegen die Entscheidung wehren kann. Das BAMF verwendet dazu regelmäßig die Formulierung, dass eine Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss. Diese Standard-Belehrung hat der VGH Baden-Württemberg nun für unrichtig erklärt (Urteil vom 18.4.2017, Az.: A 9 S 333/17). Folge des Urteils ist, dass gegen ablehnende Bescheide, die diese (!) Belehrung enthalten, nicht die kurzen asylrechtlichen Klagefristen (eine oder zwei Woche/n) gelten. Stattdessen beträgt die Klagefrist ein Jahr, gerechnet ab Zustellung des Asylbescheids.

Unrichtig war die Rechtsbehelfsbelehrung des BAMF nach Auffassung des VGH deshalb, weil die Formulierung "abgefasst" beim Empfänger die Fehlvorstellung hervorrufen kann, die Klage könne nur schriftlich beim Verwaltungsgericht eingereicht werden und der Kläger habe selbst für die Schriftform zu sorgen. Dadurch werde die Wahrnehmung von Rechtsschutz in unzulässiger Weise erschwert. Neben der schriftlichen Klageerhebung besteht nämlich auch die Möglichkeit, dass der Kläger die Rechtsantragsannahmestelle des Verwaltungsgerichts aufsucht und seine Klage dort durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle „protokollieren“ lässt (§ 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Weil die Belehrung des BAMF auf diese Möglichkeit – die in der Asylpraxis eine durchaus wichtige Rolle spielt – nicht hinwies, war die Belehrung unvollständig und damit „unrichtig“. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ordnet für diesen Fall eine einjährige Rechtsbehelfsfrist ab Zustellung der Entscheidung an.

Praxistipp: Personen die glaubten, eine Klage wegen Fristversäumung nicht mehr erheben zu können, sollten sich noch einmal die Rechtsbehelfsbelehrung „ihres“ Bescheids anschauen. Findet sich dort eine entsprechende Belehrung und fehlt dort ein Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten, ist eine Klage nach Auffassung des VGH noch möglich, wenn seit der Zustellung des Bescheides noch kein Jahr vergangen ist. Ob dann tatsächlich Klage erhoben wird, ist mit einem fachkundigen Berater zu klären.

Personen, die aktuell ablehnende Bescheide erhalten und hiergegen gerichtlich vorgehen wollen, sollten sich dagegen keinesfalls auf die einjährige Klagefrist verlassen. Sie sollten Rechtsbehelfe unbedingt innerhalb der in der Rechtsbehelfsbelehrung angegebenen Fristen einlegen. Es gibt nämlich durchaus Gerichte, die die Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht für unrichtig halten. Im Übrigen ist anzunehmen, dass das BAMF seine Rechtsbehelfsbelehrung in Kürze korrigieren wird.

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