Informationen

Tübinger Aktion 'Flüchtlinge aufnehmen'

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg bei den Erstunterzeichnern

Die Tübinger Save Me-Initiative startete im Mai 2010 eine Aktion mit dem Ziel, Angehörige von Opfern eines Terroranschlags in Deutschland aufzunehmen. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt diese Aktion als Erstunterzeichner.

Es geht um die Aufnahme von zwei Familien aus Bagdad, die als Schiiten in einem sunnitischen Viertel massiv vom Tode bedroht waren - der Vater der einen Familie ist nach einem Bombenanschlag gestorben. Sein Bruder wurde im Frühjahr ebenfalls massiv bedroht. Sie flohen nach Syrien und ließen sich dort als Flüchtlinge registrieren. Ein weiterer Bruder kam mit seiner Familie bereits im November 2009 nach Deutschland. Die Familie gehörte zum Kontingent von 2.500 irakischen Flüchtlingen, die im Jahr 2009 von Deutschland aufgenommen worden sind. Auch die Eltern der beiden in Syrien verbliebenen Brüder leben in Tübingen. Die in Deutschland lebenden - und hier bereits gut integrierten - Angehörigen wünschen sich, dass die verbliebenen Familienmitglieder ebenfalls nach Deutschland kommen dürfen und hoffen dabei Unterstützung durch die Stadt Tübingen und die Landesregierung von Baden-Württemberg. Dokumente zu diesem Einzelfall:

  • seit Mai 2010 - Aufruf "Tübinger Aktion Flüchtlinge aufnehmen" [pdf 527 kb] (Stand Nov. 2010).  Aufruf zur Unterstützung der Einreise der Familien von Aqueel und Ibtisam Khayoon mit Beschreibung der Fluchtgründe und der Situation der Betroffenen. Prominente Unterstützer sind der Tübinger OB Boris Palmer, der Tübinger SPD-Vorsitzende Martin Rosemann und die Amnesty-Landesbeauftragte Gudrun Sidrassi-Harth (Heidelberg). Auch Herta Däubler-Gmelin hat Unterstützung signalisiert. Die Unterstützer und der Anwalt der Betroffenen stehen auch in Verbindung mit dem UNHCR-Büro in Berlin, das sich ebenfalls für die Familie einsetzt.
  • 21.07.2010 Schwäbisches Tagblatt Tübingen: "Nach Anschlag in Syrien gestrandet. Die in Tübingen lebende Familie Al-Mhammedawi wünscht sich den Nachzug ihrer Verwandten." [pdf 1,1 MB]. Ausführlicher Zeitungsartikel über die Situation der Familie.
  • 23.08.2010 Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg [pdf 367 kb], in dem die Auffassung vertreten wird, dass in diesem Fall eine Familienzusammenführung nicht möglich sei und sich die betroffenen Familien an die deutsche Auslandsvertretung in Damaskus wenden sollen bzw. dort ein Visum beantragen sollen. Die Anfrage nach einem Gespräch wurde abgelehnt.
  • Oktober 2010 Durch die Vermittlung des UNHCR-Büros Berlin konnten sich die betroffenen Familie erneut für Resettlement bewerben. Zu einem zunächst in Aussicht gestellten Auswahlgespräch bei der Vertretung der USA kommt es aber in den Folgewochen und -monaten nicht. Wegen der politischen Unruhen in verschiedenen arabischen Ländern, die zu Jahresbeginn 2011 auch auf Syrien übergreifen, verschlechtern sich auch die Bedingungen für die Hilfsorganisationen in dieser Region. Viele Flüchtlinge, die evtl. Chancen auf eine Aufnahme in einem Resettlement-Staat hatten, müssen in prekären Verhältnissen der Transitstaaten bleiben oder, wie in Libyen, in die Nachbarländer weiterfliehen.
  • 02.02.2011 Brief von Innenminister Heribert Rech (CDU) [pdf 140 kb] Nach einer erneuten Gesprächsanfrage, vermittelt über die Abgeordneten Ilka Neuenhaus (Grüne) und Monika Bormann (CDU), die sich für unser Anliegen einsetzten, lehnte Innenminister Rech erneut eine Gesprächsanfrage ab.
  • 03.06.2011 Brief des Flüchtlingsrats BW an Innenminister Gall (SPD) [pdf 66kb] Nach dem Wahlerfolg durch Grüne und SPD setzten die Betroffenen und ihre Unterstützer viel Hoffnung auf die neue Landesregierung. Dies wird in diesem Brief an den neuen Innenminister zum Ausdruck gebracht und erneut um ein Gespräch gebeten. Daniel Lede Abal, neuer Landtagsabgeordneter für die Grünen und migrationspolitischer Sprecher der Partei, unterstützt die Initiative. Eine Aufnahme durch Deutschland erscheint mittlerweile als einzige und letzte Möglichkeit für die Betroffenen. Durch den Bürgerkrieg in Syrien hat sich die Sicherheitslage dort so verschärft, dass das Registrierungsbüro des UNHCR geschlossen wurde. Die Chance, in einem Resettlement-Staat Aufnahme zu finden, hat sich für diese und viele anderen Betroffenen durch die aktuelle Lage in Syrien bis auf unbestimmte Zeit völlig zerschlagen.
  • 01.07.2011 Antwortbrief des Innenministeriums [pdf 281 kb] Die Hoffnung wird erneut enttäuscht. Statt einer evtl. neuen politischen und rechtlichen Bewertung lehnt der Ministerialdirigent Hellstern, der bereits für die Vorgänger-Regierung tätig war, erneut die Gesprächsanfrage ab und verweist auf die Zuständigkeit des Bundes (was so nicht stimmt) und die Möglichkeit der Betroffenen, einen Visumsantrag zu stellen (dessen Erfolgschance ohne die Unterstützung der Landesregierung minimal ist)
  • 07.06.2011 Brief von Ali Al-Mhammedawi [pdf 35 kb] Der in Tübingen lebende Bruder bzw. Schwager der betroffenen Familien beschreibt in diesem Brief (an die deutschen Behörden gerichtet) die Flüchtgründe und die aktuelle Situation der Familien in Damaskus, wo die soziale Lage immer schwieriger wird (es gibt nur noch das Nötigste zum Essen) und Sicherheit nicht mehr gegeben. Selbst der Gang zum Einkaufen ist gefährlich. Weitere Schreiben der Betroffenen selbst, die wir hier nicht öffentlich dokumentieren, belegen dies.
  • 22.07.2011 Anwaltliche Stellungnahme von Rechtsanwalt Manfred Weidmann [pdf 88 kb] In diesem Brief an Dr. Herbert O. Zinell, Ministerialdirektor im Innenministerium, begründet der Anwalt der Betroffenen die rechtliche Möglichkeit einer Aufnahme der Betroffenen durch das Land Baden-Württemberg.
  • 03.08.2011 Boris Palmer, Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, erklärt in einem Brief an das Innenministerium BW die Bereitschaft der Stadt Tübingen, die Familien aufzunehmen und eine Familienzusammenführung in Tübingen zu ermöglichen.
  • 01.09.2011 Ministerialdirektor Herbert Zinell (Innenministerium) erklärt in einem Brief an Rechtsanwalt Weidmann und an die Stadt Tübingen, dass die Einschätzung, ob eine Flüchtlingsaufnahme nach § 22 AufenthG möglich sei, nur vom Auswärtigen Amt vorgenommen werden könne. An dieses habe er die entsprechende Anfrage herangetragen.
  • 30.10.2011 Die Familien in Damaskus wurden von der Deutschen Botschaft zu einer Anhörung vorgeladen. Dies ist auf die Anfrage des Innenministeriums Baden-Württemberg zurückzuführen. Aber auch der UNHCR Berlin setzte sich dafür ein, dass die Familie eine Chance für eine Aufnahme in Deutschland erhält.
  • 05.12.2011 Artikel im Schwäbischen Tagblatt Tübingen: "Letzte Hoffnung Tübingen. Die Familie der in Tübingen lebenden Al-Mhammedawis sitzt in Syrien fest." (Autor: Jonas Bleeser)
  • 28.12.2011 Innenministerium will Zusage zu Aufnahme verweigern
    Mit Schreiben vom 28.12.2011 an Rechtsanwalt Weidmann und an den Flüchtlingsrat hat Ministerialdirektor Dr. Zinell vom Innenministerium BW eine Zustimmung der Landesregierung zur Aufnahme der in Damaskus lebenden Familien abgelehnt. Nach Auffassung des Ministeriums, das sich auf eine Stellungnahme des Auswärtigen Amts beruft, läge in dem Fall "keine außergewöhnliche Härte" oder kein "humanitärer Sonderfall" vor. Dies wäre aber die Voraussetzung für die Erteilung eines Visums bzw. einer Aufnahme nach § 22 AufenthG, wie von Rechtsanwalt Weidmann beantragt. Es gäbe auch keine "konkrete Anzeichen für eine akute Gefährdung von Leib und Leben in Bezug auf die beiden Familien." Dies sehen der Anwalt, die Unterstützer und vor allem die Familie nicht so. Es wird der Versuch gemacht, das Innenministerium mit Hilfe von Landtagsabgeordneten umzustimmen.
  • 20.01.2012 Flüchtlingsrat BW / Andreas Linder: Anschreiben an die Unterstützer/innen der Familie mit Appell, sich an das Innenministerium zu wenden
  • 25.01.2012 Flüchtlingsrat BW / Andreas Linder: Brief an Ministerialdirektor Herbert O. Zinellmit einer inhaltlichen Stellungnahme zu seinem Brief vom 28.12. und folgenden Bitten:
    • Überdenken Sie Ihre Beurteilung der Gefahrenlage in Syrien und der Notlage dieser Familien aufgrund der Verschärfung der Sicherheitslage in Syrien seit Anfang 2012.
    • Nehmen Sie Kontakt auf mit dem Auswärtigen Amt und vermitteln Sie einen weiteren Termin bei der Deutschen Botschaft in Damaskus, bei dem die Familien einen Visumsantrag stellen können.
    • Alternativ dazu: Setzen Sie sich dafür ein, dass diese Familien im Rahmen des diesjährigen deutschen Resettlement-Kontigents aufgenommen werden. Setzen Sie sich dafür in Verbindung mit dem UNHCR und dem BMI bzw. den zuständigen Stellen. Was würde es für einen Unterschied machen, ob wir 300 oder 311 Flüchtlinge aufnehmen? Zumal die Stadt Tübingenbereits Aufnahmebereitschaft für diese beiden Familien zugesagt hat.
  • 7.2.2012 Brief von Rechtsanwalt Manfred Weidmann an das Innenministerium: In diesem Brief vertritt Herr Weidmann die rechtliche Auffassung, dass es zwar geboten war, die Auffassung des Auswärtigen Amtes zur Einschätzung der Gefahrenlage für die betroffenen Familien in Syrien einzuholen, dass die Entscheidung für die Zustimmung des Bundeslandes bzw. des Innenministeriums zu einem Visumsantrag aber letztlich ausschlaggebend sei. Der Anwalt bittet das Innenministerium, bei der Stellung eines Visumsantrags in einer Deutschen Botschaft in Amman, Beirut oder Ankara behilflich zu sein, da die Deutsche Botschaft in Damaskus seit 20. Januar geschlossen ist.
  • 4.2.2012 Brief von Verkehrsminister Winfried Hermann an Innenminister Reinhold Gall und Integrationsministerin Bilkay Öney. Winfried Hermann ist Unterstützer/Flüchtlingspate bei der Save-Me-Kampagne. Er schreibt: "Ich appelliere an Sie, Herr Minister und Frau Ministerin, den Familien Khayoon und Al-Mhammedawi aus Tübingen die Einreise nach Baden-Württemberg zu gestatten und ihnen die Möglichkeit zu geben, in Tübingen eine neue Heimat zu finden."
  • 31.1.2012 Auch die Tübinger Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel (MdB Die Linke) hat sich in einem Brief an das Auswärtige Amt gewendet und sich für eine Aufnahme der Familien ausgesprochen. Der Parlaments- und Kabinettsreferent des Auswärtigen Amtes verneinte in seiner Antwort eine "außergewöhnliche Härte" für irakische Flüchtlinge in Syrien, räumte aber ein, dass sich die Sicherheitslage in Syrien in den letzten Wochen dramatisch verschlechtert habe.<

  • 8.2.2012 Schwäbisches Tagblatt Tübingen: "Bürgerkrieg keine außergewöhnliche Härte. Vorerst kein Visum für die in Syrien gestrandeten Verwandten der in Tübingen lebenden Al-Mhammedawis"In diesem erneuten Artikel des Redakteurs Jonas Bleeser werden auch Mitarbeiter des Innenministeriums zitiert. Diese gaben an, dass das Innenministerium mittlerweile eine erneute Anfrage an das Bundes-Innenministerium gestellt habe. Falls sich die Gefährdungslage in Syrien entsprechend verändert habe, würde sich das Landes-innenministerium einer Visumserteilung "nicht widersetzen". Diese Position weicht von den Aussage des Ministerialdirektors Dr. Zinell von Ende Dezember eindeutig (positiv) ab.
  • 29.2.2012 In seiner Antwort auf unser Schreiben vom 25. Januar erklärt der Ministerialdirektor das Innenministerium erneut nicht für zuständig und verweist nochmal darauf, dass die Betroffenen halt einen Visumsantrag bei der Botschaft stellen sollen. Diese ist aber bekanntlich zur Zeit geschlossen. Er behauptet nochmals, dass eine "außergewöhnliche Härte" nicht vorliege. Damit ignoriert er auch alle diesbezüglichen Argumente, die wir vorgebracht haben. Am Ende verweist er darauf, dass die diesjährige Resettlementquote mit Flüchtlingen aus Nordafrika erfüllt werden soll und eine Aufnahme von irakischen Flüchtlinge nicht vorgesehen sei. 
    Diese Nachricht kommt genau zu dem Zeitpunkt, als uns die Familien aus Damaskus berichten
    - dass sie jetzt kein fließendes Wasser mehr zur Verfügung haben (Strom gibt es eh nicht mehr)
    - dass die Kinder in der Schule permanent aufgefordert werden, an Demos gegen das Regime teilzunehmen, d.h. die Flüchtlinge werden von Seiten der Oppositionellen unter Druck gesetzt.

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