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Sozialgerichte: Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG sind verfassungswidrig!

Flüchtlingsrat Niedersachsen berichtet über erste kritische Urteile zum Thema "Taschengeld"streichung

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (Tenor: die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren; das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt auch für Flüchtlinge) haben erste Gerichte auch Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG für rechtswidrig erklärt. Im Rahmen einstweiliger Anordnungen wurde die Ausländerbehörde verpflichtet, Leistungen im vollen Umfang der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil festgelegten (an das SGB II angelehnten) Übergangsregelung auszuzahlen.

So kommt das Sozialgericht Altenburg in seinem Urteil vom 8.11.2012 (s. hier) zu dem Schluss, dass die durch das Bundesverfassungsgericht festgelegte Übergangregelung das Existenzminimum bestimmt, das nicht unterschritten werden dürfe – auch nicht als Sanktionsmittel zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten im aufenthaltsrechtlichen Verfahren (“Da die Würde des Menschen unantastbar ist, darf ihre Beeinträchtigung nicht als Druckmittel eingesetzt werden”).

Ähnlich urteilte das Sozialgericht Lüneburg am 25.10.2012 (Aktenzeichen S 26 AY 4/11). Das Sozialgericht führt aus, dass auch solche Personen, denen Minderleistungen nach § 1a AsylblG zugefügt werden, sich auf das Urteil des BVerfG vom 18.07.2012 berufen können. Damit hat es die anderslautende Auffassung des Niedersächsischen Innenministeriums ( siehe hier) als verfassungswidrig verworfen. Die entscheidende Passage lautet:

“Dem steht nicht entgegen, dass möglicherweise die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2 AsylbLG gegeben sind. Denn nach dem Urteil des BVerfG steht fest, dass bereits die Grundleistungen nicht das Existenzminimum abdecken und evident unzureichend seien. Dies dürfte für die gekürzten Leistungen, die noch geringer und eine Variante der Grundleistungen sind, erst recht gelten. In diesem Fall führte dies ferner zu einer dauerhaften Sanktionierung und dauerhaften Unterdeckung des Existenzminimums der Kläger, was sie in ihren Grundrechten gemäß Artikel 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG verletzen dürfte.”

RA Hullerum schreibt dazu: “Damit reduziert sich die Bedeutung des AsylbLG allein auf die Frage “Bargeld” oder “teilweise Gutscheine”. Wer das AsylbLG unbedingt aufrechterhalten will, der muß also schon deutlich machen, dass er die “Art der Hilfe” als “teilweise Gutscheine” um des Diskriminierungs-Effekts und des angeblichen Abschreckungs-Effekts willen beibehalten will – koste es, was es wolle. Da nachgewiesenermaßen die “Art der Hilfe” keinen “Abschreckungs-Effekt” erzeugt (niemand hat deshalb von Flucht Abstand genommen), reduzieren sich die Argumente derer, die das AsylbLG beibehalten wollen, auf folgenden Satz: “Wir wollen weiterhin diskriminieren, koste es, was es wolle.”

Ein Musterwiderspruch gegen Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG findet sich hier.

Quelle: http://www.nds-fluerat.org/9457/aktuelles/sozialgerichte-leistungskuerzungen-nach-1a-asylblg-sind-verfassungswidrig/

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