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Schwäbisch Gmünd: Flüchtlinge als Kofferträger
Die Anstellung von Asylsuchenden als Kofferträger bei der Deutschen Bahn löste einen Medienhype aus
Es war ein Artikel auf spiegel online, der Medien aus der ganzen Bundesrepublik auf ein Schwäbisch Gmünder Projekt aufmerksam machte: dort wurden Flüchtlinge, die sich für diese Arbeit freiwillig gemeldet hatten, für 1,05 € pro Stunde am Bahnhof angestellt. Dieser wird derzeit umgebaut, etliche Gleise sind nur über eine steile, lange Treppe zu erreichen. Die mit Strohhut und einheitlichen T-Shirts ausgestatteten Flüchtlinge sollten den Reisenden beim Umsteigen helfen. Da im ersten Jahr des Aufenthalts ein Arbeitsverbot besteht, ist im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetz nur gemeinnützige Arbeit für max. 1,05 Euro die Stunde möglich. Die vom Oberbürgermeister und vom Asylarbeitskreis initiierte Beschäftigungsinitiative war gut gemeint. Der Artikel auf spiegel online löste allerdings eine hitzige Diskussion über die unterschiedlichen Facetten des Projekts aus. Neben kolonialen Bildern vom koffertragenden Schwarzen wurde in Frage gestellt, ob es rechtmäßig sein kann, dass ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn Asylsuchende zu solchen Konditionen beschäftigen darf. Bereits einen Tag nach Beginn der Diskussion brach die Bahn das Projekt ab. Die beschäftigten Asylsuchenden waren allerdings enttäuscht, weil die Arbeit für sie eine Möglichkeit war, dem tristen Nichtstun in der Unterkunft zu entkommen und etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu machen. Verwaltung und Asylarbeitskreis fühlten sich missverstanden und in die rassistische Ecke gestellt.
Einige Medienberichte zu diesem "Aufreger":
- 22.04.2013 Rems-Zeitung: „OB Richard Arnold organisierte unbürokratische und multikulturelle Lösung am Bahnhofs-Provisorium“
- 23.07.2013 Spiegel online: "Asylbewerber in Schwäbisch Gmünd: Koffer tragen für 1,05 Euro die Stunde"
- 24.07.2013 Rems-Zeitung:„ Landrat und Oberbürgermeister über Rückzug der Bahn aus Asylbewerber-Projekt am Bahnhof tief enttäuscht“
- 24.07.2013 WAZ: „Flüchtlinge schleppten Koffer für einen Euro- Bahn steigt aus“
- 24.07.2013 Spiegel online: „Bahn lässt Asylbewerber keine Koffer mehr tragen“
- 25.07.2013 TAZ: „Grüße aus der Kolonialzeit“
- 25.07.2013 Stuttgarter Zeitung: „Flüchtlinge sauer über Sklaverei- Vorwürfe“
- 25.07.2013 Rems-Zeitung: „Asylbewerber nehmen Stellung zur Entscheidung der Bahn.“
- 25.07.2013 Gmünder Tagespost: „Die freiwillige Arbeit hat Spaß gemacht: Asylbewerber verteidigen die Arbeitsgelegenheit am Bahnhof.“
- 26.07.2013 FAZ: „Arbeitslos im Postkolonialismus“
- 27.07.2013 Gmünder Tagespost: „Sie machen weiter. Asylbewerber arbeiten weiterhin freiwillig am Bahnhof.“
- 27.07.2013 Gmünder Tagespost: „Thema Asylbewerber. Wie beurteilen sie die Hilfe durch die Asylbewerber am Bahnhof ?“
- 27.07.2013 Rems-Zeitung: „Flüchtlinge jetzt ehrenamtlich tätig“
- 30.07.2013 Gmünder Tagespost: „Landrat schreibt an Bahnchef- Grube“
- 30.07.2013 Rems-Zeitung: „Flüchtlingspoltik contra kommunale Kreativität“
- 31.07.2013 Schwäbische Post: "'Firma' für Flüchtlinge. Landrat schreibt an Bahn-Chef Grube – Stadträte machen Beschäftigungsvorschlag"
- 01.08.2013 SWR Fernsehen: "Schwarze als Kofferkulis. Sollen Asylbewerber für einen Hungerlohn arbeiten?", Sendung 'Zur Sache Baden-Württemberg!', 20.15 Uhr
- 15.08.2013 ARD Kontraste: "Bevormundung: Keine 1-Euro-Jobs für Asylbewerber"
- 22.08.2013 Südwest Presse: "Flüchtige Worte mit Flüchtlingen. Migranten treffen Merkel: Den gestrigen Auftritt der Kanzlerin in Schwäbisch Gmünd nutzen Asylbewerber für ein kurzes Gespräch."
Hintergrundinfo:
Nach § 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes ist es möglich, Asylsuchende zur Ableistung von gemeinnützigen Tätigkeiten mit einem Stundenlohn von max. 1,05 Euro heranzuziehen. Dies ist auch gängige Praxis. Das Gesetz schreibt vor, dass solche Tätigkeiten nur in gemeinnützigen, kommunalen oder staatlichen Einrichtungen zulässig sind und die Arbeit "zusätzlich" sein muss. Solche Tätigkeiten können auch von Asylsuchenden ausgeführt werden, die während der ersten neun Monate des Aufenthalts im Land noch einem allgemeinen Arbeitsverbot unterliegen. In Schwäbisch Gmünd ist von dieser Möglichkeit in den letzten Monaten verstärkt Gebrauch gemacht worden, vor allem durch die Vermittlung von Asylsuchenden an soziale Einrichtungen - mit guten Erfahrungen für alle Seiten. Die Beschäftigung von Asylsuchenden im Rahmen solcher Arbeitsgelegenheiten bei privaten Unternehmen wie in diesem Fall der Deutschen Bahn ist aber rechtlich nicht zulässig.