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APPELL "Roma haben kein "sicheres Herkunftsland""

Appell an die Landesregierung von Baden-Württemberg: Keine Zustimmung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu „sicheren Herkunftsstaaten“

Die unterzeichnenden Organisationen appellieren an die Landesregierung von Baden-Württemberg, den von der Bundesregierung am 30. April 2014 beschlossenen Gesetzentwurf, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu erklären und damit Flüchtlingen aus diesen Staaten den Zugang zum Asylverfahren zu verwehren, im Bundesrat die Zustimmung zu versagen.

Begründung:

Am 28. November 2013 hat die grün-rote Landesregierung einen Staatsvertrag mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg unterzeichnet, mit dem die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber den Angehörigen dieser vom Nationalsozialismus verfolgten Gruppe anerkannt wird und diesen Menschen weitgehende Minderheitenrechte zuerkannt werden. Einen ähnlich respektvollen Umgang erhoffen und erwarten wir uns auch mit Angehörigen der Roma-Minderheit, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten nach § 29a Asylverfahrensgesetz lässt aber befürchten, dass ein solcher respektvoller Umgang mit Angehörigen der zweiten Verfolgungsgruppe des Nationalsozialismus und der nach wie vor größten ethnischen Minderheit in Europa in Zukunft pauschal verweigert werden soll. Bereits jetzt wird die Mehrzahl der Asylanträge insbesondere von Angehörigen der Minderheit der Roma aus diesen Herkunftsstaaten als „offensichtlich unbegründet“ eingestuft. Zahlreiche Berichte von Betroffenen und internationalen Organisationen über das Zusammenwirken von absoluter Armut und sozialer und rassistischer Diskriminierung und Gewalt in diesen Herkunftsstaaten werden dabei ignoriert oder als nicht schutzrelevant eingestuft. Statt diese Minderheitenangehörigen zu schützen und ein humanitäres Bleiberecht zu ermöglichen, werden sie in immer größerer Zahl zwangsweise rückgeführt und der weiteren Diskriminierung und Perspektivlosigkeit ausgesetzt. Das von PRO ASYL in Auftrag gegebene Rechtsgutachten zu diesem Gesetzentwurf kritisiert, dass als Legitimation für die Erklärung zu „sicheren Herkunftsstaaten“ lediglich Berichte des Auswärtigen Amts sowie die Anerkennungsquoten in den Asylverfahren und eine „selektive Auswertung internationaler Quellen“ herangezogen wurden. Dies sei eine zu schwache Grundlage für die nötige verlässliche Tatsachenfeststellung:

„Das verfassungs- und unionsrechtlich vorgegebene Ziel der erforderlichen antizipierten Tatsachen- und Beweiswürdigung ist die Feststellung, dass in einem derartigen Staat eine gewisse Stabilität und hinreichende Kontinuität der Verhältnisse eingetreten sind und deshalb in der Rechtsanwendung aufgrund der allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Situation weder Verfolgungshandlungen noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung stattfinden. Ein derartiges Gesamturteil kann während eines nicht abgeschlossenen Übergangsprozesses kaum mit der erforderlichen Zuverlässigkeit getroffen werden.“

Dieser Einschätzung schließen wir uns an. Dafür, dass das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung einem migrationspolitischen Kalkül folgt und den Tatsachen in den Herkunftsstaaten nicht standhält, spricht auch, dass die Anerkennungsquoten in anderen Staaten wie z.B. der Schweiz und Belgien z.B. im Jahr 2013 bei über 10% lagen. Auch in Deutschland wurden einzelne Antragssteller/innen trotz der eingeführten Praxis eines Asylschnellverfahrens gegen Antragssteller/innen aus den Balkanstaaten und der aufgeladenen Stimmung gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen aus diesen Staaten als schutzbedürftig anerkannt. Erst vor kurzem sprach das Verwaltungsgericht Stuttgart zwei Roma-Angehörigen aus Serbien die Flüchtlingseigenschaft zu (A 11 K 5036/13).

Statt einer weiteren Verschärfung beim Umgang mit Asylsuchenden aus diesen Herkunftsstaaten fordern wir konkret für Baden-Württemberg:

  • Gleichbehandlung mit allen anderen Asylsuchenden beim Zugang zum Asylrecht und zum Asylverfahren, insbesondere durch gründliche Prüfung des Einzelfalls statt Schnellverfahren

  • Respektvoller Umgang bei der Aufnahme in der Landeserstaufnahmestelle und der Unterbringung in den Stadt- und Landkreisen

  • Gleicher Zugang der Erwachsenen zu Sprachförderung und der Kinder zur Schulbildung

  • Wirksames Einschreiten gegen Rassismus und Antiziganismus gegen Roma

Es braucht internationale Anstrengungen, damit sich die sozialen Lebensverhältnisse dieser Menschen in den Herkunftsstaaten verbessern und rassistische Diskriminierung zurückgedrängt wird. Solange es dabei aber keine entscheidenden Fortschritte gibt, dürfen gerade wir Deutschen diesen Menschen nicht die Tür vor der Nase zuschlagen!

Die grün-rote Landesregierung ist im April 2011 mit dem Slogan „Humanität hat Vorrang“ angetreten. In der Asyl- und Flüchtlingspolitik soll der „Grundsatz eines menschenwürdigen Umgangs mit Flüchtlingen“ eingehalten werden. Dies lässt aus unserer Sicht bei der für den 11. Juli im Bundesrat bevorstehenden Abstimmung über den „Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten...“ nur ein deutliches NEIN durch Baden-Württemberg zu.

Stuttgart, den 30. Juni 2014


Unterzeichner/-innen:

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.

Freundeskreis Asyl Göppingen

Freundeskreis für Flüchtlinge in Fellbach

Arbeitskreis Asyl Weinheim Flüchtlingshilfe Weinheim e.V.

IPPNW Villingen-Schwenningen

Ökumenischer Freundeskreis Asyl in Bietigheim-Bissingen

Aktionsbündnis Abschiebestopp Konstanz

Save Me Freiburg

Freundeskreis Asyl Radolfzell

Mennonistisches Hilfswerk Karlsruhe

AK Asyl Kirchheim-Teck

Grüne Jugend Baden-Württemberg

Kanzlei Striegler - Anwaltskanzlei für Ausländerrecht

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung

ESG Karlsruhe

Bürgerinitiative gegen Fremdenfeindlichkeit / Arbeitskreis Asyl Schwäbisch Gmünd

Freundeskreis Asyl Esslingen

Verein zur Unterstützung traumatisierter Migranten e. V. Karlsruhe

SPD Sexau

Refugio e.V. Vs Villingen

Schuldekan Martin Pfeiffer (Biberach und Ravensburg; Ev. Landeskirche in Württemberg)

Arkade Main-Tauber-Kreis

DIE LINKE im Gemeinderat Mannheim

Pfarrer Dieter Grahl (luth. Kirche Sachsen)

Save Me Konstanz

Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik Baden-Württemberg

Asyl-Arbeitskreis Schwetzingen

Arbeitskreis Asyl Kernen

AK Menschenrechte im GLOBAL, Bad Waldsee

Freundeskreis Asyl Mühlacker

Annette Groth, MdB

AWC Deutschland e.V. - Weltbürgerinnen und Weltbürger

DIE LINKE.Kreis Ravensburg

Flüchlingsrat Ulm

Freundeskreis Asyl Karlsruhe e.V.

IFZ-Heidelberg

Medinetz Freiburg

SPD Ulm

Arbeitskreis Asyl e.V. Baden-Baden

Amnesty International Freiberg

ver.di Ulm

Arbeitskreis Asyl Metzingen

Stolpersteine Stuttgart-Ost

"Flüchtlinge und wir" e.V. Herrenberg

Lilith e.V.

Information:

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer“ wurde am 30. April 2014 von der Bundesregierung bei einer Kabinettssitzung angenommen. Am 23. Juni wird voraussichtlich eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf im Innenausschuss des Bundestages stattfinden. In der Woche vom 30. Juni bis 4. Juli steht die Abstimmung im Bundestag an. Die Abstimmung im Bundesrat ist für 11. Juli vorgesehen. Bereits jetzt haben sich Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Menschenrechtsorganisationen, Anwaltsverbände, Roma- und Sintiverbände, UNHCR, Institut für Menschenrechte und viele andere einhellig gegen das Gesetz ausgesprochen. PRO ASYL hat zu dem geplanten Gesetz ein umfangreiches Rechtsgutachten vorgelegt. Dieses finden Sie auf www.proasyl.de. Auch auf der Homepage des Flüchtlingsrats finden Sie zahlreiche weitere Hintergrundinformationen: http://fluechtlingsrat-bw.de/roma-fluechtlinge.html

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