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Rassismus ist salonfähig geworden. Am Jahrestag gegen Rassismus warnt der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg vor geistigen Brandstiftern.

PRESSEMITTEILUNG, 18.03.2016

Für 2015 meldet Pro Asyl 1065 Anschläge auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. Heidenau, Bautzen, Clausnitz.... Der Rassismus zeigt in Deutschland abermals seine hässliche Fratze. Schutzlose, hilfesuchende Menschen werden zu Opfern des Hasses wie schon Anfang der 1990er Jahre und Anfang der 1930er Jahre. Hass lässt kein Geschichtsbewusstsein zu. Die Anschläge haben Schlagzeilen gemacht und das Entsetzen bei den Politikern und der Mehrheit der Bevölkerung war groß. Es sei nur eine kleine verantwortungslose Minderheit, die so handele. Wirklich? Rassismus hat viele Gesichter. Die Gewalttäter zählen auf Beifall in der Gesellschaft: Ohne Pegida, die AfD oder ähnliche Gruppierungen gäbe es Gewalt in diesem Ausmaß nicht. Viele Politiker tragen das Ihre dazu bei, wenn sie sich für die Schließung der Grenzen innerhalb und außerhalb Europas mit militärischen Mitteln stark machen und die Flüchtlinge damit ihrem Schicksal überlassen.

Aber das Klima für rassistische Gewalttaten wird auch in ganz anderen Kreisen beeinflusst, von denen man eher das Gegenteil erwartet hätte, z.B. von zahlreichen Intellektuellen. Eine beschämende Erkenntnis am Internationalen Tag gegen Rassismus am 21. März: Rassismus ist wieder salonfähig geworden. Er tritt in der Gestalt weise argumentierender Bedenkenträger auf. Nein, Gewalt gegen Flüchtlinge, das lehnen wir ab, so hört man es bei ihnen, aber Deutschland sei doch längst an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit gelangt, die Polarisierung der Gesellschaft nehme zu, der gesellschaftliche Friede sei durch die Flüchtlinge gestört, wie die rechtsradikalen Anschläge ja deutlich zeigten. Besonders beunruhigt sie, ob die Integration von so vielen Muslimen gelingen könne, und dass unsere europäischen Werte in Gefahr seien. Eine zahlenmäßige Begrenzung, die viel beschworene Obergrenze, müsse es geben und auf die Frage, wie das zu machen sei, wird dann schon mal der Schießbefehl bemüht, ja, wenn Flüchtlinge die Grenze stürmen, dann...

Diese Intellektuellen befinden sich in guter Gesellschaft, z.B. bei dem Philosophen Peter Sloterdijk, der die Drohkulisse einer „Überrollung“ Deutschlands aufbaut. Auch Worte können Gewalt erzeugen. Intellektuelle werden so zu geistigen Brandstiftern, die das Klima in der Gesellschaft vergiften. Was hört man von diesen Leuten über das Leid und die Schutzbedürftig­keit der Flüchtlinge? Nichts. Was hört man von ihnen über Deutschlands und Europas Mitverantwortung für die Fluchtursachen, für die Gräuel des Krieges in Syrien? Nichts. Und man hört auch nichts über die Folgen einer Grenzschließung, die den Flüchtlingen, die sich vor dem Krieg gerettet haben, neues Elend bereitet. In den meisten Fällen haben diese Intellektuellen noch nie einen Flüchtling kennengelernt, noch nie eine Flüchtlingsunterkunft von innen gesehen und sind in ihrem persönlichen Leben in keiner Weise von der Anwesenheit von Flüchtlingen beeinträchtigt.

Sind unsere europäischen Werte in Gefahr? Sie sind es. Aber nicht durch den Zuzug vieler Muslime, sondern durch den Verrat an dem Wert, der nach christlicher Tradition – und darauf berufen sich die Bedenkenträger ja so gern – der höchste ist, nämlich dem der Nächstenliebe, der Solidarität mit Menschen in Not, der Hilfsbereitschaft. In diesem Sinn engagieren sich Tausende aus allen gesellschaftlichen Bereichen ehrenamtlich und beruflich für Flüchtlinge und schaffen damit ein Gegengewicht gegen Rassismus und Vorurteile.

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt die Ehrenamtlichen in ihrer Tätigkeit durch Fortbildungen und Bereitstellung von Information. Er appelliert an die Landesregierung und an die Verhandlungspartner nach der Wahl, dem Rassismus entgegenzutreten. In seinem Positionspapier heißt es: „Bei der Aufnahme und Unterbringung sowie in der öffentlichen Diskussion muss mit allen Asylsuchenden, auch den im Asylverfahren Abgelehnten, gleich und respektvoll umgegangen werden.... Eine steigende Zahl an Zuflucht Suchenden ist nicht durch einen besonders harten Umgang mit den Schwächsten zu beeinflussen.“ Das ist im Sinne Ghandis, der gesagt hat: „Eine Zivilisation soll danach beurteilt werden, wie sie ihre Minderheiten behandelt.“

Kontakt: Ulrike Duchrow, Tel.: 06221 / 712786, E-Mail: duchrow@fluechtlingsrat-bw.de

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