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PRO ASYL: Balkanstaaten erledigen für Brüssel die "Drecksarbeit"

„Die mazedonischen Behörden konfiszieren Roma die Pässe. Diese Leute dafür zu bestrafen, dass sie in der EU um Asyl ersucht haben, ist eine Menschenrechtsverletzung“, erklärte der Menschenrechtskommissar am 21. Februar nach seiner Rückkehr aus Mazedonien vor Journalisten. Die Suche nach Asyl werde kriminalisiert, zeigte sich Muižnieks alarmiert.

Visafreiheit als Druckmittel

Der EU warf Muižnieks vor, die Visafreiheit als Druckmittel einzusetzen: "Die Europäische Union überlässt den Ländern des westlichen Balkans die Drecksarbeit", polterte der Amtsnachfolger von Thomas Hammarberg. Jener hatte bereits 2011 betont, dass die Europäische Menschenrechtskonvention das Recht zum Verlassen eines jeden Landes, einschließlich des eigenen garantiert. Niemand sollte bei der Ausübung dieses Rechts diskriminiert werden. Aber genau dies tun die Beitrittskandidaten Serbien und Mazedonien immer massiver, seit die EU die Visafreiheit für ihre Bürger eingeführt hat – und zwar nicht nur unter den Augen, sondern sogar auf Drängen der EU.

Menschenrechtsverletzender Deal zwischen Brüssel und den Balkanstaaten 

Der Hintergrund: Seit für die ehemaligen jugoslawischen Staaten Visafreiheit besteht, beantragen immer wieder Menschen aus diesen Ländern Asyl in EU-Staaten. Diese Asylsuchenden möchte sich die Europäische Union mit allen Mitteln vom Hals halten. Dabei drohen EU-Politiker immer wieder mit dem Entzug der Visafreiheit. Für Serbien und Mazedonien stellt diese eine wichtige Errungenschaft dar, die man auf keinen Fall verlieren will. Die Romaorganisation Chachipe e.V. hat diesen menschenrechtsverletzenden Deal zwischen Brüssel und den Regierungen der Balkanstaaten  zuletzt in ihrem Bericht „Selective Freedom“ angeprangert, dessen Serbienteil im Oktober 2012 aktualisiert wurde.

Asylsuche kriminalisiert

Dass der Weg in die EU über die Kriminalisierung der Asylsuche führt, hat nicht nur Menschenrechtskommissar Nils Muižnieks in Mazedonien beobachtet: Recherchen der Romaorganisation Chachipe e.V. belegen dies auch für Serbien. Ende Dezember 2012 wurde das Strafrecht um einen Artikel erweitert, der Asylmissbrauch im Ausland unter Strafe stellt. Der Paragraf richten sich zwar gegen kommerzielle Fluchthelfer, ist aber so gummiartig formuliert, dass Chachipe seine Anwendung gegen Asylsuchende selbst befürchtet.

Pauschalverdacht gegen "Scheinasylanten" 

Im November 2012 hatte Serbiens stellvertretende Ministerin für Europäische Integration, Suzana Grubjesić ihre Hoffnung geäußert, dass unbegründete Asylsuche zum Straftatbestand erhoben wird. Chachipe zufolge werden abgeschobene Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Serbien bereits heute polizeilich vorgeladen und zu den Gründen für ihren Asylantrag im Ausland befragt. Die stellvertretende Ministerin Grubjesić lobte den Erfolg der EU-hörigen Politik: Ca. 5 000 serbische BürgerInnen, die versucht hätten, in Westeuropa Asyl zu suchen, seien dank der verschärften Kontrollen an der Grenze zurückgewiesen worden.

Dieses Schicksal ereilt offenbar auch Menschen, die in den bloßen Verdacht geraten, so genannte falsche oder „Scheinasylantinnen“ oder “ –Asylanten“ (serbisch: lažni azilanti) zu sein. Hauptbetroffene dieser Maßnahmen sind Angehörige der Romaminderheiten. Dass sie in allen Balkanstaaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, hat die EU-Kommission selbst festgestellt. 

Neue Ebene der Diskriminierung gegen Roma

Mit den gezielten Ausreise-Kontrollen gegen Roma nach Methoden des „ethnic profiling“ und dem Entzug ihrer Pässe wurde nun eine neue Ebene der Diskriminierung der Minderheit geschaffen. Fatal ist, dass in der öffentlichen Meinung in den Balkanstaaten Roma zu Sündenböcken dafür abgestempelt werden, wenn die Visafreiheit wackelt. Die Debatte um den angeblichen Asylmissbrauch der Roma schürt auch in EU-Ländern wie Deutschland Rassismus.

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