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Präzedenzfall: Flüchtlinge in Seenot zurück nach Libyen geschickt

Nach Angabe italienischer Zeitungen und von verschiedenen Seenotrettungs-NGOs hat ein italienisches Schiff 108 Geflüchtete am Montag nördlich der libyschen Küstenstadt Zuwara aufgenommen und sie auf Weisung der italienischen Rettungsleitstelle nach Libyen zurückgebracht. Italien war 2012 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden, weil es 2009 eine Gruppe von 227 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea nach Libyen zurückgebracht hatte. Der EGMR entschied, dass Italien damit die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt habe, weil den Flüchtlingen in Libyen unmenschliche Behandlung drohte. Weil die Schiffe unter italienischer Flagge gefahren seien, gelte die EMRK auch dort. Seitdem hat kein europäisches Schiff mehr Flüchtlinge in das nordafrikanische Land gebracht.
 

Italien hat in den letzten Wochen mehrfach versucht, die Verantwortung für Rettungsschiffe im Einsatz an die Libyer zu übergeben und so das EGMR-Urteil zu umgehen. Auch der derzeit in Malta vor Gericht stehende Kapitän des Rettungsschiffes „Lifeline“, Claus-Peter Reisch, wurde von den Italienern aufgefordert, sich mit der libyschen Leitstelle zu „koordinieren“. Libyen hat in enger Abstimmung mit der EU vor etwa einem Jahr angefangen, Flüchtlinge auf dem Meer aufzugreifen und zurückzuholen. Dort landen sie wieder in Internierungslagern. Ein Teil der Flüchtlinge wird aber weiterhin von europäischen Schiffen aufgenommen. Italien will durchsetzen, dass auch diese nach Nordafrika zurückgebracht werden. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration erreichten im Juli dieses Jahres bislang 1.815 Flüchtlinge Italien, meist auf Marineschiffen. Zugleich wurden 157 Tote gezählt. Im Juli 2017 waren knapp 11.500 Menschen über das Mittelmeer nach Italien gekommen, dabei waren 68 gestorben.

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