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Flüchtlingsrat Baden-Württemberg begrüßt den Entwurf zum Flüchtlingsaufnahmegesetz

Pressemitteilung

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg begrüßt, dass der Entwurf zum Flüchtlingsaufnahmegesetz für Baden-Württemberg vom Ministerrat der Landesregierung zur Anhörung freigegeben wurde. „Sehr lange mussten wir auf die längst überfällige Überarbeitung dieses Gesetzes warten, das den in Baden-Württemberg lebenden Asylsuchenden bisher restriktive und diskriminierende Bedingungen bei der Unterbringung und der sozialen Versorgung zugemutet hat“, so Angelika von Loeper, 1. Vorsitzende des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. „Es ist sehr anerkennenswert, dass die Landesregierung trotz der gestiegenen Flüchtlingszahlen zu ihrem bereits im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vorhaben der Verbesserung der Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in Baden-Württemberg steht.“

Dies betrifft vor allem die geplanten Verbesserungen bei der sozialen Beratung und Betreuung von neu ankommenden Asylsuchenden in der Landesaufnahmestelle Karlsruhe: „Durch die geplanten gesetzlichen Neuregelungen und damit verbundenen finanziellen Investitionen wird es in Karlsruhe erstmals eine auch mit staatlichen Mitteln geförderte unabhängige Verfahrens- und Sozialberatung für die Asylsuchenden geben“, so Angelika von Loeper weiter. „Diese Verbesserungen, die erstmals die Normen der EU-Aufnahmerichtlinie vor allem zum Umgang mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen berücksichtigen, sind dringend nötig.“

Der Flüchtlingsrat begrüßt desweiteren grundsätzlich die geplanten Verbesserungen bei der Unterbringung der Asylsuchenden in den Stadt- und Landkreisen. Ob die vorgesehenen Mindeststandards (Verringerung der Belegungsdichte von Gemeinschaftsunterkünften von 4,5 auf 7 m², Nähe der Unterkünfte zu bewohnten Ortsteilen und Möglichkeit der Unterbringung in Wohnungen) einen „qualitativen Sprung“ (Pressemitteilung des Ministeriums für Integration vom 23.7.13) darstellen, wird sich aber in der Realität erst zeigen müssen. Der Flüchtlingsrat kritisiert, dass der Gesetzentwurf weiter primär an der isolierenden Unterbringung in „Gemeinschaftsunterkünften“ festhält und eine Unterbringung z. B. von besonders schutzbedürftigen Personen, in normalen (Sozial-)Wohnungen lediglich möglich machen soll. „An dieser Stelle fehlt angesichts des überall bestehenden Mangels an Sozialwohnungen ein politisches und praktisches Konzept, wie eine Humanisierung der Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen tatsächlich erreicht werden kann. Wir befürchten, dass die Kreise Sachzwänge vorschieben werden“, so Angelika von Loeper weiter. Diese Befürchtung ist begründet, denn bereits seit einem Jahr könnten die Kreise durch die „Vorläufigen Anwendungshinweise“ des Integrationsministeriums Verbesserungen bei der Unterbringung und den Unterkünften realisieren. Die vom Ministerium gewährten Spielräume wurden aber in vielen Kreisen kaum oder gar nicht genutzt. Dies zeigt aktuell auch die Protestaktion von Flüchtlingen aus dem Main-Tauber-Kreis vor dem Integrationsministerium.

Da die Stadt- und Landkreise wegen nicht erfüllter Zuweisungsquoten und wegen den gestiegenen Zugangszahlen unter Druck standen, wurde zum Teil der gesetzliche Mindeststandard von 4,5 m² pro Person unterschritten, es wurden zahlreiche Unterkünfte neu eröffnet, deren Qualität die bisherigen Standards unterschreitet (Wohncontainer) und es wurde von der Möglichkeit der Wohnungsunterbringung nur bei ca. 4% der Betroffenen Gebrauch gemacht. „Aufgrund dieser Erfahrungen ist klar, dass es gemeinsame Anstrengungen braucht, um längerfristig tatsächlich humanere Aufnahmebedingungen erreichen zu können“, sagt Angelika von Loeper.

In diesem Zusammenhang bemängelt der Flüchtlingsrat, dass sich bei der Finanzierung der Aufnahme von asylsuchenden Flüchtlingen im Wesentlichen nichts ändern soll. Mit der „Verordnung des Integrationsministeriums über die Neufestsetzung der Ausgabenpauschale nach § 9, Abs. 1 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes“ (jetzt § 15) vom 19. März 2013 wird zwar eine Erhöhung der Zahlungen des Landes an die Stadt- und Landkreise pro Flüchtling umgesetzt, die den durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2012 erhöhten Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Rechnung trägt. Die nicht leistungsbezogenen Anteile der Pauschale wurden aber lediglich um 1% erhöht. „Wir sehen nicht, wie die grundsätzlich gewollte Verbesserung der sozialen Beratung und Betreuung von Asylsuchenden in den Kreisen wie auch die in § 13 des Entwurfs festgelegte Förderung der Grundkenntnisse in deutscher Sprache erreicht werden soll, wenn dafür vom Land kein Geld bereitgestellt wird. Eine unabhängige Sozialberatung und andere Leistungen, die die Integration von Flüchtlingen fördern, kann es nicht zum Nulltarif geben“, kritisiert Angelika von Loeper.

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und die Liga der Freien Wohlfahrtspflege wurden vom Ministerium für Integration in die Diskussion um die Entstehung des neuen Flüchtlingsaufnahmegesetzes einbezogen. „Wir haben diverse Stellungnahmen und Vorschläge in die Diskussion eingebracht. Auch wenn nur ein Teil unserer Vorschläge Berücksichtigung findet, anerkennen wir ausdrücklich die neue Form der politischen Kultur bei der Entstehung dieses Gesetzes“, so Angelika von Loeper abschließend.

 

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