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Erste Sammelabschiebung nach Afghanistan

Neun Person aus Baden-Württemberg ins Kriegsland zurückgeschickt

Bei der ersten Sammelabschiebung nach Afghanistan am 14. Dezember wurden neun zuletzt in Baden-Württemberg wohnhafter Personen zwangsweise in ihr kriegszerrüttetes Heimatland zurückgeführt. Insgesamt wurden 34 Personen abgeschoben – vorgesehen waren eigentlich 50. In einigen Einzelfällen konnten Abschiebungen kurz vor dem Vollzug gestoppt werden – das betraf auch zwei Afghanen aus Baden-Württemberg.

Der Plan war seit Monaten bekannt, und hatte massive Kritik von Pro Asyl, den Flüchtlingsräten und anderen Menschenrechtsorganisationen hervorgerufen: Die Bundesregierung hat beschlossen, dass es Regionen in Afghanistan gibt, die sicher genug sind, um Menschen dorthin abzuschieben. Mit Hinweis auf diese „innerstaatlichen Fluchtalternativen“ werden in diesem Jahr verstärkt Asylanträge von Menschen aus Afghanistan abgelehnt. Die Anerkennungsquote sank auf unter 50%, was zur Folge hatte, dass Afghan*innen aufgrund der vermeintlich fehlenden „guten Bleibeperspektive“ unter anderem keinen Anspruch auf die Teilnahme an Integrationskursen mehr haben.
Im Gegensatz zu Bundesländern wie Brandenburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Schleswig-Holstein, die politische Bedenken gegen die Abschiebung von Afghan*innen erhoben, hat sich in Baden-Württemberg die einzige grün-geführte Landesregierung an den Abschiebungen beteiligt.
„Aus unserer Sicht hat diese Aktion nichts mit der Situation in Afghanistan, und alles mit der innenpolitischen Situation in Deutschland zu tun. Diese Kapitulation vor dem rechten Rand ist ein verheerendes Zeichen dafür, was uns wohl im kommenden Jahr erwartet, wenn es der AfD im Vorfeld der Bundestagswahl weiterhin so erfolgreich gelingt, die anderen Parteien vor sich herzutreiben“, so Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg.
Selbst das BAMF spricht in internen Dokumenten davon, dass „in allen Teilen Afghanistans ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban sowie anderen oppositionellen Kräften [herrscht]“ Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sieht keine sicheren Gebiete.
Mehr als 5.100 Zivilist*innen wurden allein im ersten Halbjahr 2016 Opfer dieser Kampfhandlungen (seit 2009 sind es insgesamt deutlich über 60.000) und die Vereinten Nationen schätzen, dass Ende des Jahres bis zu 1,5 Millionen Menschen innerhalb Afghanistans auf der Flucht sein könnten.
Auch die wenigen als „sicher“ deklarierten Gebiete bieten keine dauerhafte Sicherheit, wie auch der Anschlag auf die deutsche Botschaft in Mazar-i-Sharif zeigt. Ein Fernsehteam des Magazins Monitor, das kürzlich in der angeblich sicheren Region Balkh unterwegs war, kam ohnehin zu einer gänzlich anderen Bewertung. Nicht umsonst rät auch das Auswärtige Amt dringend von Reisen nach Afghanistan ab: „Der Aufenthalt in weiten Teilen des Landes bleibt gefährlich. Jeder längerfristige Aufenthalt ist mit zusätzlichen Risiken behaftet“ heißt es in der Reisewarnung. Und: Einer Deutschen, die ein Hilfsprojekt in Afghanistan leitet, wurden kürzlich Reisen nach Afghanistan gänzlich untersagt, ein Sperrvermerk im Reisepass eingetragen. Begründung: Ihre Sicherheit sei dort nicht gewährleistet (Quelle: Braunschweiger Zeitung).
Nichtsdestotrotz hält die Bundesregierung, und auch die Landesregierung von Baden-Württemberg am Prinzip fest, dass nach Afghanistan abgeschoben werden kann – weitere Sammelabschiebungen sind geplant. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fordert die politisch Verantwortlichen auf, von diesen Plänen Abstand zu nehmen, die Realität anzuerkennen, dass es keine sicheren Gebiete in Afghanistan gibt, und die Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen.

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