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Dritte Sammelabschiebung nach Gambia: Destabilisierung wird in Kauf genommen

Pressemitteilung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg vom 27. Februar 2019

Am 25. Februar wurden vom Frankfurter Flughafen aus 20 Personen nach Gambia abgeschoben. Wie das Regierungspräsidium Karlsruhe auf Nachfrage des Flüchtlingsrats bestätigte, handelte es bei den Abgeschobenen um 20 volljährige Männer, die zuletzt in Baden-Württemberg gelebt haben. Genauere Angaben zu den Wohnorten der Abgeschobenen konnte das Regierungspräsidium nicht machen. Personen aus anderen Bundesländern seien nicht abgeschoben worden. Drei Personen wurden aus der Abschiebehaft in Pforzheim abgeschoben, sechs aus Strafanstalten.

Der Flüchtlingsrat ist der Ansicht, dass Abschiebungen nach Gambia angesichts der weiterhin fragilen Situation im Land unverantwortlich sind.  Das kleine und arme Gambia hat kein objektives Interesse an einer hohen Zahl von Rückkehrern. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt etwa 40 Prozent. Das Land hat jüngst 3.500 Rückkehrer aus Libyen und anderen afrikanischen Staaten aufgenommen und schafft es nicht, allen diesen Menschen eine Arbeit und eine Perspektive zu bieten. Weitere hohe Rückkehrerzahlen würden die sozialen Probleme verschärfen. Die ohnehin fragile junge Demokratie, die noch einige Jahre durch die ECOWAS-Truppen geschützt werden muss, wäre in Gefahr. Ernst zu nehmende Stimmen befürchten, dass bei hohen Zahlen frustrierter und entwurzelter Rückkehrer eine Destabilisierung der fragilen Übergangsgesellschaft droht.

"Diejenigen, die Abschiebungen nach Gambia forcieren wollen, argumentieren damit, dass aufgrund des demokratischen Wechsels nun alles in Ordnung sei. Sie verkennen allerdings, dass die Abschiebepolitik die Gesellschaft destabilisiert und eben diesen Neuaufbau gefährdert", erklärt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Zudem seien die Argumente bezüglich der Situation in Gambia wenig glaubwürdig angesichts der Tatsache, dass Innenminister Thomas Strobl Gambia zum 'sicheren Herkunftsstaat' machen wollte, als der brutale Diktator Jammeh noch an der Macht war. "Leider sehen wir bei Gambia - ähnlich wie bei Afghanistan, dem Westbalkan oder auch Dublin-Überstellungen nach Italien - wenn deutsche Politiker*innen und Behörden über Abschiebungen entscheiden, dann zählt die politische Situation in Deutschland und das wahltaktische Kalkül viel mehr als die tatsächliche Situation in den fraglichen Ländern und die Umstände, in die man die Menschen zurückschickt", so McGinley.
Eine Person, die bei der Ankunft des vorherigen Abschiebungsflugs in Gambia war, berichtete, die Abgeschobenen seien zum Ende des Flughafengeländes gefahren und dort zusammen mit ihren in Pappkartons verpackten Habseligkeiten abgeladen und sich selbst überlassen worden - mehrere Kilomter außerhalb der Stadt.

Das ist nach Ansicht von Seán McGinley sinnbildlich für den Umgang mit diesen Menschen: "Einerseits spricht Bundesinnenminister Seehofer von 'geordneter Rückkehr', andererseits werden in der Realität Menschen gewaltsam aus ihrem sozialem Umfeld herausgerissen und ohne jegliche Unterstützung im Herkunftsland quasi ausgekippt wie Müll. So werden menschliche Existenzen und die Zukunftsperspektive eines kleinen afrikanischen Landes den wahltaktischen Überlegungen und kurzfristiger politischen Stimmungslagen in Deutschland geopfert."


Das Gambia-Helfernetz hat einen offenen Brief zum Thema formuliert, der an Minister, Behörden und Abgeordnete in Baden-Württemberg versandt werden kann.

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