Informationen

Die neue Bleiberechtsregelung kommt!

Auch Baden-Württemberg hat eine Vorgriffsregelung zum geplanten § 25 b AufenthG erlassen

Die neue Bleiberechtsregelung
Nachdem bereits im Juli 2011 eine Bleiberechtsregelung für „gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende“ (§ 25 a AufenthG) eingeführt wurde, hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Verabschiedung des „§ 25b Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration“ in Aussicht gestellt. Diese lang ersehnte neue Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Erwachsene, die keine Stichtage wie frühere Bleiberechtsregelungen vorsieht und die auch humanitäre Elemente beinhaltet, basiert auf einer Initiative rotgrün-regierter Bundesländer, die zu einem Beschluss des Bundesrats vom 22.3.2013  führte. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist festgehalten:
„Um lange in Deutschland lebenden geduldeten Menschen, die sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse integriert haben, eine Perspektive zu eröffnen, wollen wir eine neue alters- und stichtagsunabhängige Regelung in das Aufenthaltsgesetz einfügen.“ Der Beschluss des Bundesrats, der einen entsprechenden Gesetzentwurf enthält, soll Grundlage des zu verabschiedenden Gesetzes sein.
 
Die Erteilungsvoraussetzungen
Laut Gesetzentwurf für den § 25 b AufenthG gibt es folgende Erteilungsvoraussetzungen (Abs. 1):
1. Voraufenthaltszeit von 8 Jahren (Alleinstehende) bzw. 6 Jahren (Familien mit minderjährigen Kindern)
2. Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und Nachweis von Grundkenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland
3. Eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts (der ganzen Familie) durch Erwerbstätigkeit bzw. die Prognose, dass der Lebensunterhalt in Zukunft gesichert sein wird. Ein „vorübergehender Bezug von Sozialleistungen“ ist allerdings unschädlich bei Studierenden, Auszubildenden und Teilnehmer/-innen berufsvorbereitender Maßnahmen sowie bei Familien bzw. Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern.
4. Hinreichende Deutschkenntnisse (A2) sowie tatsächlicher Schulbesuch der Kinder.
Der Gesetzentwurf enthält auch eine humanitäre Komponente: Im Absatz 3 wird festgelegt, dass der Bezug von Sozialleistungen und der Nachweis von Sprachkenntnissen nicht erforderlich ist, „wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erfüllen kann.“ Die Details sind allerdings noch nicht bekannt.

Die Ausschlussgründe
Im Abs. 2 werden die Ausschlussgründe aufgeführt. Wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist, wird keine Aufenthaltserlaubnis erteilt:
Vorsätzlich falsche Angaben, Täuschung über Identität und Staatsangehörigkeit, „Nichtmitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen“
Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen
Verurteilt wegen im Land begangener vorsätzlicher Straftat. Verurteilungen bis 50 Tagessätzen bzw. bis zu 90 Tagessätzen mit ausländerrechtlichem Bezug bleiben unschädlich.
Vor allem für Langzeitgeduldete, denen mangelnde „Mitwirkung“ unterstellt wurde und gegen die ein ausländerrechtliches Arbeitsverbot nach § 33 der Beschäftigungsverordnung (bis Juli 2013 § 11 Beschäftigungsverfahrensverordnung) ausgesprochen wurde, wird es schwer sein, ihre Integrationsleistungen nachzuweisen. Hier ist Beratung und im Bedarfsfall anwaltliche Unterstützung nötig.

Die Rechtsfolgen
Die Absätze 4 und 5 regeln die Rechtsfolgen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen und Abwesenheit von Ausschlussgründen wird eine Aufenthaltserlaubnis für (längstens) zwei Jahre erteilt. Ehegatten und minderjährige Familienangehörige erhalten ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist nicht beschränkt. Es besteht die Option auf Verlängerung, wenn die Voraussetzungen weiter vorliegen.

Die Vorgriffsregelung
Der Erlass des Innenministeriums von Baden-Württemberg vom 11.02.2014 macht es nun möglich, dass bereits jetzt von weiteren aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen werden kann, wenn begründete Aussichten für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der neuen Bleiberechtsregelung bestehen. Der Erlass ist gültig bei „anstehenden Rückführungen von geduldeten
Familien mit Kindern über 14 und unter 21 Jahren, die sich seit mindestens vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhalten (im Hinblick auf die Neufassung des § 25a AufenthG), und
Ausländern, die sich seit mindestens acht Jahren oder, falls sie mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft leben, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhalten ...“
In diesen Fällen ist „unter Berücksichtigung der BR-Drs. 505/12 bis auf Weiteres in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die ausreisepflichtige(n) Person(en) sozial und wirtschaftlich integriert sind und kein Ausschlussgrund vorliegt. Liegt eine soziale und wirtschaftliche Integration vor, soll im Regelfall bis auf Weiteres von einer Aufenthaltsbeendigung abgesehen und der Ausländer geduldet werden.“

Beratung und Unterstützung
Asylfreundeskreise und Fachberatungsstellen sollten ab sofort alle Personen, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der neuen Bleiberechtsregelung in Frage kommen, kontaktieren und beraten. Wenn die in Frage kommenden Personen im Einzelnen nicht bekannt sind, ist ein Aushang in Flüchtlingsunterkünften, Beratungsstellen, Sozialämtern und sonstigen geeigneten Orten empfehlenswert (eine Vorlage hierfür finden Sie auf der Homepage des Flüchtlingsrats).
Bei der Beratung ist u.a. zu beachten:
Lebensunterhaltssicherung: Wenn bei in Frage kommenden Personen die Lebensunterhaltssicherung nicht ausreichend ist, sind Maßnahmen der Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt nötig. Hierbei können die Bleiberechtsnetzwerke beratend oder praktisch behilflich sein (www.bleibinbw.de).
Vorgriffsregelung: Wenn Aussichten auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der neuen Bleiberechtsregelung bestehen, sollen sich der/die Betroffene/n möglichst rasch bei der Ausländerbehörde vorstellen und die erforderlichen Dokumente vorlegen. Bitte beachten Sie: nur wenn die Personen eine Duldung ohne Erlöschensvermerk erhalten, sind sie vor Abschiebung sicher oder wenn das Regierungspräsidium oder die Ausländerbehörde schriftlich bestätigt, dass im Hinblick auf die Vorgriffsregelung keine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird.


Autor: Andreas Linder

 

Dieser Artikel wurde auch veröffentlicht in: Flüchtlingsrat Baden-Württemberg (2014): Rundbrief 01 / 2014.

Zurück