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Die Märchen des Herrn Friedrich

Asylzugangszahlen steigen weiter - aber Deutschland nimmt nach wie vor nicht die meisten Flüchtlinge auf

Antragszahlen: Bis Ende September 2013 nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 74.194 Erstanträge entgegen (Vergleichszeitraum 2012: 40.201); das bedeutet einen Anstieg um 84,6 %. Die Zahl der Folgeanträge stieg im bisherigen Jahr 2013 gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreswert (8.844 Folgeanträge) um 25,9 % auf 11.461. Im September gab es 11.461 Erstanträge beim Bundesamt  (Juli: 9.516, August: 9.502, August 2012: 5.239). In Baden-Württemberg stellten im September 1.528 Personen einen Asylantrag. In der Landeserstaufnahmeeinrichtung Karlsruhe incl. Außenstellen waren am 21.10.13 1.960 Personen untergebracht.

Herkunftsländer: Über den Sommer/Frühherbst hat sich die Zahl der Asylantragsteller/innen aus Südosteuropa wieder vergrößert. Im September kamen die meisten neuen Antragssteller/innen aus Serbien (1.593 Erstanträge). Die drei Hauptherkunftsländer in den ersten neun Monaten des Jahres sind die Russische Föderation (Tschetschenien) (13.492 Erstanträge), Syrien (7.846) und Serbien (6.432). Ebenfalls gestiegen sind die Asylanträge von Personen aus dem Iran, Pakistan, Somalia, Mazedonien und wieder Irak. Rückläufig sind seit September Anträge von Asylsuchenden aus der Russischen Förderation (-27%). Bei den Asylfolgeanträgen gab es vor allem bei Personen aus den südosteuropäischen Staaten einen merklichen Anstieg. Das bedeutet, dass viele, die im vergangenen Jahr abgeschoben wurden oder „freiwillig ausreisen“ mussten, in diesem Jahr bereits wiedergekommen sind. Nach wie vor werden (auch in Karlsruhe) Asylanträge von Personen aus den Staaten Ex-Jugoslawiens vom BAMF „prioritär“ behandelt, d.h. Vorgezogen und abgelehnt. Andere Antragsteller/innen müssen dagegen immer länger auf die Anhörung und die Entscheidung warten.

Entscheidungspraxis: Die Gesamtschutzquote für alle Herkunftsländer lag bislang in 2013 bei 27,4 % (2012 27,7 %). Im August gab es allerdings einen deutlichen Einbruch auf 16,3% (September 24,6%) bei gleichzeitigem Anstieg der Ablehnungen und „formellen Entscheidungen“ (v.a. 40% Dublin-Verfahren). Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend im Hinblick auf die Entscheidungspraxis gegenüber Antragstellern aus Südosteuropa fortsetzt. Von den Antragssteller/innen aus der Russischen Föderation erhielten nur rd. 2% einen (subsidiären) Schutzstatus, die allermeisten (84,2%) werden im Rahmen der Dublin-Verordnung rücküberstellt („sonstige Verfahrenserledigungen“). 23,7% der syrischen Flüchtlinge erhielten in diesem Zeitraum einen Flüchtlingsschutz (Art 16a GG 2,9%, § 60 I AufenthG 20,8%), 72,5% erhielten (nur) subsidiären Schutz (§ 60, II AufenthG).
Anhängige Verfahren: Ende September 2013 lag die Zahl der anhängigen Erstverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei 73.196 Verfahren. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (44.766 anhängige Verfahren) bedeutet dies einen Anstieg um 78,8 %. Dies deutet darauf hin, dass sich für die Betroffenen der durchschnittliche Zeitraum von Asylantragstellung bis -entscheidung weiter verlängert, v.a. bei Antragstellern aus Syrien, Pakistan und Afghanistan. Die Zahl aller Bundesamtsentscheidungen (Erstanträge, Folgeanträge, Widerrufsprüfverfahren und Wiederaufnahmeverfahren) stieg in diesem Zeitraum dennoch (2013: 64.236 Entscheidungen, Vorjahreszeitraum: 50.322).

Asylanträge im europäischen Vergleich: Im Jahr 2012 stellten 64.540 Flüchtlinge in Deutschland einen Asylantrag, gefolgt von Frankreich (54.940) und Schweden (43.890). Betrachtet man die Zahl der Asylanträge vor dem Hintergrund der Gesamtbevölkerung, liegt Deutschland nach wie vor im europäischen Vergleich irgendwo im (oberen) Mittelfeld. Pro 1.000 Einwohner/innen nahm Deutschland im Jahr 2012 0,8 Flüchtlinge auf. Zum Vergleich: Malta (4,9), Schweden (4,3), Luxemburg (4), Schweiz (3,4), Montenegro (2,4), Österreich (2,1) Belgien (1,7), Frankreich (0,9). An diesem Verhältnis hat sich auch in 2013 nichts wesentlich geändert.
Beim Blick auf die Schutzquote ist festzustellen, dass insbesondere Schweden, aber auch Italien deutlich vor Deutschland (Schutzquote 2012: 30%) liegen. In diesen Ländern dürfen also auch weitaus mehr Flüchtlinge bleiben, in Italien allerdings auf der Basis eines nach wie vor mangelhaften bis nicht vorhandenen Aufnahmesystems. Auffällig ist die sehr bescheidene Schutzquote in Frankreich (ca. 15 – 17%). Deutschland ist im europäischen Vergleich auch Spitzenreiter bei den (tatsächlichen) Rücküberstellungen nach der Dublin-Verordnung, in 2013 wurden rd. 3.000 Personen in andere EU-Staaten abgeschoben.
In der Rechnung unseres Innenministers fehlt schließlich die Betrachtung des Grenzgeschehens. Über die EU-Außengrenzen kamen in Italien im Jahr 2011 64.300 Menschen per „illegalem Grenzübertritt“ an, im Jahr 2012 waren es 15.900 und im bisherigen Jahr 2013 31.000 Menschen, davon 12.000 allein auf Lampedusa und 14.000 auf Sizilien. Eine beträchtliche Zahl der Flüchtlinge, die es nach der gefährlichen Überfahrt oder dem Grenzübertritt an der Landgrenze (Griechenland, Italien, Ungarn, Spanien usw.) geschafft haben, den Boden der EU zu betreten, stellen in diesen Staaten, sofern möglich, keinen Asylantrag. Auch dies erklärt die vergleichsweise geringe Zahl der Asylanträge in diesen Staaten und die vergleichsweise hohe in Deutschland.

Quellen:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2013): Asylgeschäftsstatistik für den Monat September 2013.
Die Zeit (10.10.2013): Asyldebatte: Die Trickserei mit den Flüchtlingszahlen.

Dieser Artikel erschien auch im Rundbrief 04 / 2013 des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg

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