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Die Kinderrechtskonvention gilt auch für Flüchtlingskinder!

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg gibt der Beschulung von Flüchtlingskindern im Land die Note „mangelhaft“

Die zunehmende Zahl der Flüchtlinge (2013 waren es 6000 mehr als im Jahr davor) stellt die Stadt- und Landkreise sowie die betroffenen Schulen vor eine große Herausforderung. Von den SozialarbeiterInnen und Lehrerkräften wird ein hohes Maß an Engagement verlangt, damit die Integration der Kinder in den Schulen gelingen kann. Doch zum Jahrestag der Unterzeichnung der Kinderrechtskonvention vom Bundestag, am 5.4.1992, sei daran erinnert, dass sie in vollem Umfang auch für Flüchtlingskinder gilt und dass die große Zahl keine Entschuldigung für unzureichende Beschulung sein darf. Vieles im Land ist gegenwärtig aber unzureichend, wie der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg durch eine kleine Umfrage bei Landratsämtern, Freundeskreisen und Schulen erfahren hat.

Fast überall dort, wo Flüchtlingskinder zur Schule gehen, fehlt es an Vorbereitungsunterricht, in dem sie Deutsch lernen, um bald am regulären Unterricht teilnehmen zu können. Die Mittel, die dazu erforderlich sind, müssen am Anfang des Schuljahres bei den Regierungspräsidien beantragt werden. Kommen aber Kinder während des Jahres, muss die Schule sehen, wie sie zurecht kommt. Ab einer Zahl von zehn Kindern wird eine Vorbereitungsklasse eingerichtet, in der alle Kinder von sechs bis zehn Jahre gemeinsam unterrichtet werden. Sind es jedoch weniger, ist es den Schulen überlassen, wie sie die Kinder vorbereiten, oft ist der Unterricht dann nicht intensiv und nicht regelmäßig genug. Lehrkräfte, die eine Ausbildung für Deutsch als Fremdsprache haben, gibt es nicht und daher mangelt es dem Unterricht manchmal an Qualität.

Während Grundschulkinder im Allgemeinen zügig in den Schulen angemeldet werden, ist die Lage für Kinder ab elf viel schwieriger. Sie werden nicht selten von Schule zu Schule geschickt, ehe sich eine findet, die sich ihrer erbarmt und ihnen einige Stunden in der Woche Deutschunterricht erteilt. Oft müssen sie lange Schulwege auf sich nehmen.

Für einen erfolgreichen Schulbesuch ist die Kooperation zwischen Schule und Eltern unentbehrlich. Mit Eltern, die kein Deutsch können, gibt es aber keine Verständigung. Dolmetscherdienste könnten da helfen, doch die stehen nicht zur Verfügung, wenn sich die Eltern nicht selbst darum kümmern. Wenn es z.B. zu unregelmäßigem Schulbesuch kommt, kann die Schulpflicht nicht durchgesetzt werden, weil man die Eltern nicht benachrichtigen kann.

Die allgemeine Schulpflicht endet mit 16 Jahren. Ob ältere Jugendliche eine Schule besuchen dürfen, hängt allein von der Bereitschaft einzelner Schulen ab, sie aufzunehmen und entsprechend zu fördern. In einigen Stadt- und Landkreisen werden sie in sog. VAB-Kurse aufgenommen (Vorqualifizierung für Arbeit und Beruf für Schüler ohne Hauptschulabschluss). In Heidelberg dürfen sie einen Monat lang einen Deutschkurs an der Volkshochschule besuchen, danach sind sie sich selbst überlassen. Schüler, die in ihrem Heimatland auf ein Gymnasium gegangen sind, können hier nicht einmal einen Hauptschulabschluss machen. Asylverfahren dauern in vielen Fällen zwei bis drei Jahre, kostbare Jahre, die die jungen Menschen verlieren und vielleicht nie mehr aufholen können.

Die Versäumnisse, die bei der Integration gemacht werden haben schwerwiegende Folgen für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft. Statt die Kinder und Jugendlichen, die zu uns kommen, zu den so dringend benötigten Fachkräften auszubilden, lassen wir zu, dass sie das Heer der Chancenlosen auf dem Arbeitsmarkt vergrößern. Etwa die Hälfte der jugendlichen MigrantInnen wird bleiben, denn wenn auch nur etwa 25% der Flüchtlinge einen Schutzstatus erhalten, wird vielen, die zunächst nur „geduldet“ sind, doch noch ein Bleiberecht gewährt. Auch wenn sie nur vorübergehend bleiben, wird ihnen eine gute Aufnahme in der Schule Nutzen bringen.

„Die Schulen müssen unbürokratischer unterstützt werden und auch während des Jahres Mittel für Vorbereitungsklassen abrufen können“ fordert Ulrike Duchrow, Mitglied im Sprecherrat des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Es müssen Dolmetschdienste zur Verfügung stehen, weiterführende Schulen sollten ein Konzept für die Aufnahme von Flüchtlingen entwickeln, die ab der 5.Klasse nach Deutschland kommen, ein Konzept, das natürlich auch allen anderen AusländerInnen in dieser Lage zugute käme. Berufsschulen müssen Mittel erhalten, um Vorbereitungsunterricht anzubieten. In den pädagogischen Hochschulen muss ein Curriculum für Deutsch als Fremdsprache entwickelt werden.

Das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz schreibt ausdrücklich vor (§13): „Im Rahmen der vorläufigen Unterbringung ist sicherzustellen, dass der Schulbesuch nach Maßgabe des Schulgesetzes für Baden-Württemberg erfolgen kann. Wenn tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, dass bestehende Fördermaßnahmen zur Vorbereitung auf den Schulbesuch benötigt werden, ist die Schulaufsichtsbehörde zu unterrichten.“ Nach den Informationen, die der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg gesammelt hat, gibt es gegenwärtig ein deutliches Defizit gegenüber dem Gesetz, das unbedingt ausgeglichen werden muss.


Ulrike Duchrow
Mitglied im Sprecherrat
Des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg
Kontakt: Ulrike Duchrow (06221 – 71 27 86)

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