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Dem wachsenden Antiziganismus entgegentreten!

Gemeinsame Pressemitteilung der Beratungsstelle Pro Roma und des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg zum Internationalen Roma-Tag am 8. April

Anlässlich des Internationalen Roma-Tages am 8. April erinnern die Roma-Gemeinschaft und ihre Unterstützer*innen an den Beginn der weltweiten Roma-Bürgerrechtsbewegung und mahnen die fortwährende Diskriminierung und Ausgrenzung dieser Minderheit an.
Dieser Tag erinnert aber auch an Verfolgung und Diskriminierung, denen die Roma über Jahrhunderte hinweg ausgesetzt waren, und an den auf Vernichtung zielenden Rassismus des NS-Regimes. Erst nach vier Jahrzehnten hat die Bundesregierung den Völkermord an Sinti und Roma anerkannt. Dass sie dies überhaupt getan hat, war ein Verdienst der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma in Deutschland, die viele Jahre hierfür gekämpft hat.
Auch nach 1945 war die Diskriminierung für die wenigen Überlebenden in Deutschland keineswegs vorbei. Sie wurden weiter mit Rassismus im Alltag, bei Behördengängen, in Entschädigungsverfahren oder durch die Polizei konfrontiert. Dieser Antiziganismus dauert bis heute, oftmals unbewusst an.
Deutschland hat in Europa eine besondere Verantwortung, neuerlicher Diskriminierung und Verfolgung entgegenzutreten – symbolisch mit dem Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin (2012) und mit der Berufung einer Antiziganismus- Kommission durch den Bundesinnenminister zur systematischen Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen des Antiziganismus.

Vor dem Hintergrund zunehmender Ausschreitungen auf Mitglieder der Roma-Gemeinschaft in Europa müsste Deutschland eine Vorbildfunktion einnehmen.
Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 63 Straftaten gegen Sinti und Roma erfasst. Darunter waren den vorläufigen Zahlen zufolge sieben Gewaltdelikte. Es ist zu befürchten, dass die Dunkelziffer erheblich höher ist, weil antiziganistische Tatmotivationen nicht immer als solche (an)erkannt werden und weil sich Betroffene nicht immer trauen, Anzeige zu erstatten.

Die anhaltende offene Ausgrenzung der Roma in den West-Balkanländern besteht weiter, die Erklärung dieser Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ leugnet antiziganistische Diskriminierung. Baden-Württemberg hat diese Einstufung erst ermöglicht und führt seit vielen Jahren mehrmals im Monat Menschen in die Westbalkan-Staaten ab – viele von ihnen sind Angehörige der Minderheit der Roma. Bei den Abgeschobenen handelt es sich zum allergrößten Teil um Menschen, die seit mindestens drei Jahren in Deutschland leben, oft wesentlich länger. „Wir fordern die sofortige Einstellung der Sammelabschiebung in die Westbalkan-Staaten und die Anwendung von Bleiberechtsregelungen für die hier lebenden Roma aus diesen Ländern“, so Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats.
„Leider erleben wir aktuell in vielen Teilen Europas eine gefährliche Zunahme des Antiziganismus“, sagt Kemal Ahmed, der Leiter von Pro Roma. So haben in Frankreich gefälschte Nachrichten in den „sozialen“ Medien zu gewalttätigen Angriffen auf Roma geführt, die beschuldigt wurden, Kinder zu entführen.

In der Ukraine wurde 2018 eine Roma-Siedlung angegriffen und ein 24-jähriger Rom von Rechtsextremen getötet. Es war nicht der erste solcher Angriffe von ungebremster Gewalt.

In Italien will Innenminister Salvini die ca. 140.000 dort lebenden Roma zählen lassen um Personen ohne gültigen Aufenthaltsstatus ausweisen zu können. Der Plan, allein Angehörige der ethnischen Minderheit der Roma systematisch in einer Kartei zu erfassen, erinnert viele an die Herrschaft der Nationalsozialisten. Sie knüpft an die menschenverachtenden Maßnahmen des Mussolini-Faschismus an, der die Jüdinnen und Juden im Land registrieren ließ, ehe sie in die Nazi-Vernichtungslager deportiert wurden. Auch Sinti und Roma wurden im italienischen Faschismus wie im Nationalsozialismus gezielt entrechtet, verfolgt und ermordet.
„Wir feiern den 8. April und erinnern uns an unsere Geschichte, und nutzen diesen Anlass um zu betonen, wie wichtig es ist, der menschenverachtende Ideologie des Antiziganismus überall entgegenzutreten“, so Kemal Ahmed abschließend.

 

Hintergrund

Welt-Roma-Tag

Der Welt-Roma-Tag geht auf ein internationales Treffen von Roma aus verschiedenen Ländern am 8. April 1971 zurück. Die Anwesenden verstanden sich als Vertreter*innen einer eigenständige Sprach- und Kulturnation mit einer gemeinsamen Geschichte, die in verschiedenen Nationen lebt, davon ca. 12 Mio. in Europa. Die einzelnen Vertretungen der Roma in den Nationalstaaten vereinigten sich unter einer eigenen Nationalhymne und -flagge, um von internationalen Staatenbündnissen wie den Vereinten Nationen und dem Europarat anerkannt zu werden.

 

Beratungsstelle Pro Roma

Die Beratungsstelle Pro Roma ist bei der Katholischen Kirchengemeinde Waldkirch angesiedelt und bietet Beratung und Unterstützung für zugewanderte Roma in verschiedenen Lebenslagen an – beispielsweise bei aufenthaltsrechtlichen Themen, beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrations- und Bildungsangeboten. Sie führt auch Informations- und Bildungsveranstaltungen durch, um über die Situation der Roma aufzuklären.

 

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ist ein Netzwerk lokaler Initiativen, die sich ehrenamtlich mit Flüchtlingen und für Flüchtlinge engagieren. Er unterstütz die Flüchtlingsarbeit vor Ort durch umfassende Informationen zur sozialen und rechtlichen Situation in Baden-Württemberg, zur Flüchtlingspolitik und zur Lage in den Herkunftsländern.

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