Informationen

Bundesverfassungsgericht: Abschiebung besonders schutzbedürftiger Personen nach Italien setzt konkrete Zusicherung bei Erlass der Abschiebungsanordnung voraus

Seit der „Tarakhel-Entscheidung“ des EGMR vom 4. November 2014 ist das BAMF verpflichtet, vor einer Überstellung insbesondere von Familien mit Klein(st-)Kindern nach Italien Garantien von den italienischen Behörden für eine menschenrechtskonforme und familiengerechte Unterbringung einzuholen. In zwei aktuellen Entscheidungen hat sich das BVerfG zu den Anforderungen an diese Garantien geäußert.

In einem Beschluss vom 17. April 2015 (2 BvR 602/15) hat das BVerfG Zweifel daran geäußert, dass die Zusicherung des BAMF, ohne eine konkrete Garantie seitens der italienischen Behörden keine Überstellung durchzuführen, verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

In einem weiteren Beschluss vom 30. April 2015 (2 BvR 746/15) hat das BVerfG sodann bezweifelt, dass eine ohne vorherige Zusage erlassene Abschiebungsanordnung vom Verwaltungsgericht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden darf, dass eine menschenrechtskonforme Unterbringung vor der Überstellung sichergestellt wird. Es sei fraglich, ob die Betroffenen die Einhaltung dieser Maßgabe noch in einem effektiven Rechtsschutzverfahren überprüfen lassen können. Im Kern geht es also um die Frage, ob die (hinreichend konkrete) Garantie bereits im Zeitpunkt der Abschiebungsanordnung oder erst am Tag der Überstellung vorliegen muss.

Für die Schweiz hatte das dortige Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 12. März 2015 (Az.: E-6629/2014) entschieden, dass die Abschiebungsverfügung erst ergehen darf, wenn eine konkrete und individuelle Zusicherung – unter Angabe von Name, Alter, Unterkunft und der Zusage, dass die Familie nicht getrennt werde – seitens der italienischen Behörden vorliege.

Wie sich aus Entscheidungen des VG Hannover (Beschluss v. 21.5.2015 – 7 B 1962/15) bzw. des VG Düsseldorf (Beschluss v. 15.5.2015 - 8 L 626/15.A) ergibt, erteilt Italien derzeit allerdings überhaupt keine individuellen Zusicherungen mehr. Solange dies so ist, dürften jedenfalls Überstellungen besonders "vulnerabler" Personen nach Italien generell unzulässig sein.

Zurück