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Bildung ist Menschenrecht

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fordert zum Weltbildungstag (8. September): Flüchtlinge sollen bei der Bildung die gleichen Chancen haben wie Einheimische.

Pressemitteilung vom 05.09.2014

Niemand würde bezweifeln, dass Bildung ein Menschenrecht ist, dass Analphabetismus bekämpft werden muss und dass mehr Entwicklungsgelder für Bildung ausgegeben werden müssen. Um dies ins Bewusstsein zu rufen, wurde von den Vereinten Nationen der Weltbildungstag bzw. Weltalphabetisierungstag ausgerufen. Aber Bildung für Flüchtlinge? Solange sie noch im Asylverfahren sind? Sollen sie doch warten, bis sie anerkannt sind! Schule für Kinder findet gerade noch Konsens, aber darüber hinaus? Diese Meinung wird nicht nur an Stammtischen vertreten, sondern auch von Regierungsvertretern. Vor allem für Jugendliche und Erwachsene im Flüchtlingsstatus sind die Bildungschancen sehr eingeschränkt.

Das ist ungerecht für die Flüchtlinge, nachteilig für die Gesellschaft und verstößt klar gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, die in Artikel 22 sagt: „Die vertragsschließenden Staaten werden den Flüchtlingen dieselbe Behandlung wie ihren Staatsangehörigen hinsichtlich des Unterrichts in Volksschulen gewähren. Für über die Volksschule hinausgehenden Unterricht, insbesondere die Zulassung zum Studium, die Anerkennung ausländischen Studienzeugnissen …. und die Zuerkennung von Stipendien werden die vertragsschließenden Staaten eine möglichst günstige und in keinem Fall weniger günstige Behandlung gewähren, als sie Ausländern im Allgemeinen unter den gleichen Bedingungen gewährt wird.“

Hiervon ist Baden-Württemberg trotz einiger Verbesserungen in letzter Zeit noch weit entfernt. Im vorigen Jahr wurden Flüchtlinge zum Studium zugelassen, in diesem Jahr trat das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz für Baden-Württemberg in Kraft, das Fördermaßnahmen für die Vorbereitung auf den Schulbesuch und Deutschunterricht für alle Flüchtlinge verspricht. Die Anerkennung ausländischer Berufs- und Studienabschlüsse kann nun auch in Baden-Württemberg von Flüchtlingen beantragt werden. Die stark wachsenden Zahlen von Flüchtlingen machen es der Regierung aber nicht leicht, diese Versprechen umzusetzen, und so bleiben erhebliche Defizite bei der Umsetzung des Rechts auf Bildung bestehen.

Das Kultusministerium hat zwar kürzlich mehr Deputate für den vorbereitenden Deutschunterricht genehmigt, es fehlen trotzdem noch Vorbereitungsklassen vor allem in den weiterführenden Schulen. Oft müssen Eltern älterer Kinder von Schule zu Schule wandern, bis sie eine finden, die ihr Kind aufnimmt. Es gibt kaum eigens für Deutsch als Fremdsprache ausgebildete Lehrkräfte, es fehlt ein verbindliches Curriculum. Die Einbeziehung der Eltern in die Bildung der Kinder scheitert am Sprachproblem. Es ist nicht genug Geld für Dolmetscher vorhanden.

Dass es jetzt Geld vom Land für Deutschkurse für alle Erwachsenen gibt, begrüßt der Flüchtlingsrat. Doch wie dürftig ist schließlich das Angebot! Einen vierwöchigen Intensivkurs bietet z.B. Heidelberg an. Als ob man in so kurzer Zeit Deutsch lernen könnte. In anderen Kommunen ist der Unterricht meist noch weniger intensiv und wird nicht einmal von Fachkräften erteilt.

Besonders schlecht sind über 16jährige Jugendliche dran. Sie werden nur in wenigen Kommunen in berufsvorbereitende Kurse aufgenommen und erhalten Sprachunterricht, obwohl auch für sie die Berufsschulpflicht besteht. Eine Ausbildung ist ihnen wegen des Arbeitsverbots verwehrt, so dass ungezählte Jugendliche zum Nichtstun verdammt sind, während eines oft lange dauernden Asylverfahrens oder wenn sie nur eine Duldung erhalten. Die Gruppe Jugendliche ohne Grenzen hat gegen diese Diskriminierung die Kampagne Bildung(s)Los gegründet. Sie fordert gleiches Recht auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe auch für Flüchtlinge und hat dafür viele UnterstützerInnen gefunden, u.a. die ver.di -Jugend.

„Niemand soll verloren gehen“ und „kein Abschluss ohne Anschluss“ sind die bildungspolitischen Zielsetzungen des Hamburger Senats. Bei der Neuorientierung seines Handlungskonzepts zur Integration schließt er die jugendlichen Flüchtlinge ausdrücklich mit ein. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fordert, dass auch hier im Land ein solches Konzept entwickelt und umgesetzt wird. Um die Bildungsrechte von Jugendlichen im Flüchtlingsstatus allerdings voll zu verwirklichen, muss es einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt geben, denn nur dann können sie eine Lehrstelle annehmen. Die noch dringlichere Forderung des Flüchtlingsrats lautet daher: Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene für die Abschaffung des nachrangigen Zugangs zum Arbeitsmarkt einsetzen.

Die Verwirklichung von Bildungsrechten ist ein win-win-game. Nicht nur der/die Jugendliche gewinnt für seine/ihre persönliche Entfaltungsmöglichkeit, auch die aufnehmende Gesellschaft gewinnt ein selbständiges und kompetentes Mitglied hinzu. Und sollte der Flüchtling Deutschland wieder verlassen müssen, so hat er eine Bildungserfahrung gemacht, die ihm erhalten bleibt.

 

Kontakt: Ulrike Duchrow (Mitglied des Vorstands): 06221-786361

 

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