Informationen

Auffangklassen an Berufsschulen?

Marena Sunten

Freundeskreis Asyl Mössingen

Weinbergstr. 26

72116 Mössingen

Tel.: 07473/7282

Mail: mbsunten@t-online.de Mössingen, 2.8.2014

 

Die Einrichtung einer internationalen beruflichen Auffangklasse an der Mathilde-Weber-Schule in Tübingen

 Ich arbeite erst seit Anfang des Jahres ehrenamtlich im Freundeskreis Asyl Mössingen mit. Ein Problem, das auf einer der ersten Sitzungen thematisiert wurde, an der ich teilnahm, war das der untätig in den Quartieren herumhängenden Jugendlichen, die schon zu alt für die Hauptschule sind. Sie wurden von den für uns zuständigen Berufsschulen während des laufenden Schuljahrs nicht in die BVJ-Klassen aufgenommen (= Berufsvorbereitungsjahr für die Jugendlichen, die noch nicht fit für eine Berufsausbildung sind bzw. keine Lehrstelle finden). Da ich selbst bis zu meiner Pensionierung im Schuldienst gearbeitet habe, beschloss ich, mich des Problems anzunehmen. Ich fragte bei einer der für Mössingen zuständigen beruflichen Schulen an, ob denn die Flüchtlinge nicht berufsschulpflichtig seien, und bekam die Auskunft, dies sei nicht der Fall. Da sich im baden-württembergischen Schulgesetz keine diesbezügliche Ausnahme findet, gab ich mich mit dieser Auskunft nicht zufrieden (wie das offensichtlich seit Jahren bei allen beruflich oder ehrenamtlich mit Flüchtlingen befassten Personen der Fall war) und fragte beim Kultusministerium nach, ob der Zustand in Tübingen nicht einen Gesetzesverstoß darstelle. Dort bekam ich von Frau Birgit Otte die Auskunft, dass natürlich auch alle Flüchtlinge bis zum Alter von 18 Jahren berufsschulpflichtig seien und deshalb der Zustand in Tübingen wirklich nicht gesetzeskonform sei. Sie versprach mir bis zum Anfang des nächsten Schuljahrs Abhilfe. Ich verwies darauf, dass man die bestehenden Berufseingangsklassen nicht durch dauernde Neuzugänge während des Schuljahrs pädagogisch unzumutbar belasten dürfe, sondern mit den betroffenen Schulen eine pädagogisch angemessene Lösung finden müsse. Ich nahm dann später auch zur Abteilung Berufliche Schulen des RP Tübingen Kontakt auf und erfuhr, dass an einer der beruflichen Schulen Tübingens inzwischen eine internationale Auffangklasse geplant wurde, die also auch den mangelnden Deutschkenntnissen der Neuankömmlinge Rechnung trägt, was ja in den BVJ-Klassen nicht in gleichem Maße möglich ist. Allerdings lag dem Schulamt zu dem Zeitpunkt keine genaue Bedarfserhebung durch das Landratsamt vor, so dass man nur hoffen kann, dass die eine im September startende neue Klasse überhaupt für alle Altfälle und Neuankömmlinge im Landkreis ausreicht. Das Kultusministerium behob auch das Informationsdefizit und informierte sowohl die Schulen als auch den Städtetag, der um eine Information gebeten hatte. Die Referatsleiterin Frau Rothenhäusler versprach mir außerdem, zu versuchen, dass auch die Landratsämter eine Information zur Gesetzeslage erhalten. Kurz vor Ende des Schuljahrs wurden zudem zusätzliche Lehrerstellen insbesondere auch für Flüchtlinge und Migranten freigegeben.

Inzwischen habe ich erfahren, dass es in unserer Nachbarschaft z.B. in Reutlingen eine solche Auffangklasse schon gibt. Es scheint also vom Engagement vor Ort abhängig zu sein, ob das Schulgesetz für die jugendlichen Flüchtlinge erfüllt wird oder nicht. Es ist zu hoffen, dass durch die jetzt erfolgte bzw. hoffentlich noch erfolgende bessere Information aller beteiligten Institutionen die Berufsschulpflicht der jugendlichen Flüchtlinge mehr ins Bewusstsein rückt. Trotzdem bleibt es wichtig, sich vor Ort darum zu kümmern, dass sie wirklich überall umgesetzt wird, denn das wird offensichtlich nicht flächendeckend kontrolliert. Frau Rothenhäusler hat mir betätigt, dass meine Intervention, die durch ein weiteres einschlägiges Schreiben verstärkt wurde, wirklich den Anstoß zur Einrichtung der Auffangklasse in Tübingen gegeben hat. Wenn man also einen eindeutigen Gesetzesverstoß aufweisen kann und sich an die richtige Stelle wendet, ist es in unserer Demokratie nicht schwierig, eine Veränderung zu erreichen, das macht Mut.

Marena Sunten

 

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