Liebe Mitglieder, Fördermitglieder und Interessierte,
am 28. Juni hat der Bundesrat einige Gesetze gebilligt, die vermutlich drastische Auswirkungen auf die Situation der Geflüchteten haben werden. So sieht das Geordnete-Rückkehr-Gesetz beispielsweise eine erhebliche Ausweitung der Abschiebungshaft, eine längere Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen sowie sehr weitgehende Leistungskürzungen für in EU-Staaten anerkannte Personen vor. Die Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz umfassen unter anderem eine "Zwangsverpartnerung" von zufällig in Gemeinschaftsunterkünften zusammenlebenden Personen. Die Änderungen im Einzelnen finden Sie unter der Rubrik "Flüchtlingspolitik". Auch auf europäischer Ebene liegt Einiges im Argen: So droht Sea Watch-Kapitänin Rackete in Italien eine hohe Geld- oder Freiheitsstrafe, weil sie entgegen des Verbots von Italiens Innenminister Salvini mit 42 nach Wochen auf See zermürbten Geflüchteten in Lampedusa angelegt hat. Es ist einfach nur beschämend, dass in der — wohlgemerkt nobelpreistragenden — EU die Rettung von Menschenleben nicht nur nicht gewollt und staatlicherseits organisiert, sondern sogar kriminalisiert wird. Daher bitten wir Sie: Setzen auch Sie ein Zeichen für die zivile Seenotrettung, indem Sie die Online-Petition für die Freilassung von Carola Rackete unterzeichnen, an einer der Solidaritätsaktionen am Samstag in Baden-Württemberg teilnehmen und/oder für den Rechtshilfefonds von Sea Watch spenden! Auch auf dem Evangelischen Kirchentag war das Thema Seenotrettung präsent — mit dem Ergebnis, dass die Mitglieder des Kirchentags die Evangelische Kirche in Deutschland dazu aufforderten, selbst ein Schiff auf das Mittelmeer zu schicken. Gerade in diesen Tagen wäre dies ein sehr wichtiges Zeichen. Ein bedeutsames Signal für Solidarität und gegen Rassismus stellte auch die Demo "Ein Europa für Alle — deine Stimme gegen Nationalismus" am 19. Mai dar; allein in Stuttgart nahmen 12.000 Menschen teil — danke an alle Teilnehmenden für die Unterstützung! Solche Initiativen sind wichtiger denn je im augenblicklichen politischen und gesellschaftlichen Klima. Manchmal tut auch Innehalten not. Eine Plattform zum Reflektieren, Informieren und Engagieren bieten wir Ihnen am 13. Juli mit unserer Sommertagung, die diesmal unter dem Motto "Reflektiert engagiert?" steht. Neben einem Hauptvortrag zu den Nachwirkungen kolonialer Mechanismen in der Gegenwart erwarten Sie wieder verschiedene Arbeitsgruppen, u.a. zu den Themen Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung, Gambia und Umgang mit schwierigen Situationen in der Geflüchtetenunterstützung. Wir freuen uns über Ihre Anmeldung bis zum 10. Juli. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen schönen Sommer mit hoffentlich vielen kraftspendenden Erlebnissen.
Der Vorstand und die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats.
Hinweis: Wenn Sie am Ende der jeweiligen Beiträge auf "Weiterlesen..." klicken, gelangen Sie zur ausführlichen Darstellung auf unserer Homepage und finden dort auch zahlreiche weitere Dokumente und Medienberichte.
1. FLÜCHTLINGSARBEIT
Informationen, Tipps und Arbeitshilfen zur praktischen Flüchtlingshilfe in BaWü und darüber hinaus.
Tübinger Menschenrechtspreis geht an Rechtsanwalt Manfred Weidmann
Am 24. Juni wurde dem Tübinger Rechtsanwalt Manfred Weidmann, der auch seit vielen Jahren im Sprecher*innenrat des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg aktiv ist, der Tübinger Menschenrechtspreis verliehen. Die Preisverleihung bildete den Auftakt der 5. Tübinger Menschenrechtswoche. SWR, 25.06.2019: Für Engagement in der Flüchtlingshilfe: Tübinger Menschenrechtspreis geht an Anwalt
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg erhält einen Integrationspreis des Landes Baden-Württemberg
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat am 21. Juni stellvertretend für alle Flüchtlingshilfsnetzwerke und Asylarbeitskreise den Anerkennungspreis in der Kategorie "Zivilgesellschaft" erhalten. Wir freuen uns über diese Auszeichnung und geben den Dank weiter an die ehrenamtlich Engagierten im Land. Auf der Veranstaltung mit rund 800 Gästen wurde zum ersten Mal der Integrationspreis in vier verschiedenen Kategorien vergeben. Weitere Informationen zur Veranstaltung und den Preisträgern sind auf der Homepage des Sozialministeriums einsehbar.
Demonstrationen und Aktionen am 6. Juli für die Rechte von Geflüchteten und #freecarola
Das Bündnis Seebrücke ruft für den 6. Juli zu bundesweiten Aktionen für die Rechte von Geflüchteten und für die Freilassung von Carola Rackete, der Kapitänin der Sea Watch 3, auf.
Bisher stehen folgende Demonstrationen und Aktionen in Baden-Württemberg fest:
Resolution "Schicken wir ein Schiff!" auf dem Evangelischen Kirchentag mit großer Mehrheit verabschiedet
Teilnehmende des Evangelischen Kirchentags fordern EKD auf, selbst ein Schiff auf das Mittelmeer zu schicken
Vom 19. bis 23. Juni fand in Dortmund der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Im Rahmen der dort stattfindenden Veranstaltung "Kein Ich ohne ein Wir" erzählte Mattea Weihe von Sea Watch anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni von der derzeitigen Situation auf dem Mittelmeer. Die Teilnehmenden des Evangelischen Kirchtages verabschiedeten daraufhin mit großer Mehrheit eine Resolution mit dem Titel "Schicken wir ein Schiff", in welcher sie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dazu auffordern, selbst ein Schiff auf das Mittelmeer zu schicken. Mit einer Petiton auf change.org werden zur Unterstützung der Resolution weiter Unterschriften gesammelt. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, bezeichnet den Umgang Europas mit Geflüchteten als "moralischen Skandal" und befürwortet das Schicken eines Schiffs auf das Mittelmeer. Die Gremien der EKD prüfen nun die Resolution. Link zur Petition der EKD: Schicken wir ein Schiff! RP-Online, 26.06.19: "Evangelische Kirche plant Schiff für das Mittelmeer"
Protest von Geflüchteten aus dem Iran und Afghanistan
Am 4. Juli 2019 um 14 Uhr vor dem Landtag in Stuttgart
Eine Gruppe von politisch aktiven Geflüchteten aus dem Iran und Afghanistan ruft zum Protest gegen Verschärfungen des Asylrechts, gegen die zunehmende Ablehnung von Asylanträgen von Personen aus ihren Ländern und gegen Abschiebungen in diese beiden Länder auf. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt den Aufruf und schließt sich der Bitte der Organisator*innen an, dass sich möglichst viele Geflüchtete und Unterstützer*innen an der Kundgebung beteiligen sollten. Aufruf auf Deutsch Aufruf auf Persisch
Petition: Ausbildungsduldung für den Konstanzer Harrison Eijke Chukwu
Harrison Eijke Chukwu lebt seit 8,5 Jahren im Landkreis Konstanz. In seinem Heimatland Nigeria hat er traumatische Erfahrungen machen müssen. Er ist ein wichtiges Mitglied des ehrenamtlichen Teams im Café Mondial und außerordentlich gut integriert in den Kreis vieler Vereine und Initiativen, die im und um das Café Mondial tätig sind. Nun droht Harrison die Abschiebung nach Nigeria. Die Vereine "Café Mondial Konstanz e.V." und "83 integriert" sowie zahlreiche Konstanzer Bürger*innen, setzen sich für eine Ausbildungsduldung für Harrison Eijke Chukwu ein. Die Zusage für eine Ausbildung hat er bereits, nun fehlt nur noch die Ausbildungsduldung, um diese zu beginnen. Auch Sie können Harrison unterstützen, indem Sie die von Café Mondial Konstanz e.V. und "83 integriert" gestartete Petiton "Harisson ist Konstanzer — Ausbildungsduldung für Harrison" auf open.Petition unterschreiben. Ein kurzes Video zu Harrison findet sich unter: http://www.harrison-ist-konstanzer.de
Rückblick: Demo "Ein Europa für Alle — deine Stimme gegen Nationalismus"
Am 19. Mai fanden europaweit in über 50 Städten Demonstrationen statt. Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen (unter anderem PRO ASYL) hatte dazu aufgerufen, für ein demokratisches, friedliches, solidarisches und ökologisches Europa und gegen Nationalismus auf die Straße zu gehen. Allein in Deutschland sollen über 150.000 Menschen an den Demonstrationen teilgenommen haben. In Stuttgart waren es laut Veranstalter 12.000. Vielen Dank an alle, die dabei waren! SWR, 19.05.2019: Stuttgart protestiert für Europa und gegen Nationalismus
Missstände in der Abschiebehaft werden geleugnet
Stellungnahme des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg zur Berichterstattung über die Abschiebehaft Pforzheim
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg reagiert mit Verwunderung auf die Äußerungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe bezüglich der Bedingungen in der Abschiebehaft in Pforzheim. Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und Mitglied der AG Abschiebehaft, sagt hierzu: "Mehrere Aussagen des Regierungspräsidiums, die im Zuge der Berichterstattung zur Pressekonferenz der AG Abschiebehaft am 8. Mai 2019 gemacht worden, sind grob irreführend bis eindeutig wahrheitswidrig."
Sofortige Untersuchung der Gewalt gegen Geflüchtete in der Abschiebehaft Pforzheim! — Petition beim Stuttgarter Landtag eingegeben
Pressemitteilung vom Netzwerk AntiRA Baden-Württemberg vom 27.05.2019
Am 26.05.2019 wurde beim Petitionsausschuss des Stuttgarter Landtags eine Petition eingegeben, mit der eine sofortige Untersuchung der polizeilichen Übergriffe am 11.05.2019 und der nachfolgenden Sanktionen (insbesondere der Einzelhaft) gegen inhaftierte Geflüchtete in der Abschiebehaft in Pforzheim gefordert wird. Die Petition wird von 29 Gruppen/Organisationen und 52 Einzelpersonen unterstützt, unter anderem vom dem baden-württembergischen Antirassistischen Netzwerk und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.. Gefordert werden u.a. eine unabhängige Anhörung der Betroffenen und die Aussetzung der Abschiebung aller, die zur Klärung der Vorfälle beitragen können.
Interview mit Lea Engisch, Initiatorin www.erstorientierung.de
Das Angebot unter www.erstorientierung.de will die Menschen ansprechen, die als Haupt- oder Ehrenamtliche Geflüchtete begleiten. Lea Engisch, eine Initiatorin des Internetangebots, mit jetzt schon über 120 Beiträgen, beantwortet einige Fragen dazu.
Aktualisierte Neuauflage von "Todesursache: Flucht"
Mehr als 35.000 Menschen sind in den vergangenen 25 Jahren auf der Flucht nach Europa ums Leben gekommen. Das Buch "Todesursache: Flucht — eine unvollständige Liste" ist zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2018 erschienen. Es enthält eine Aufzählung der belegten Fälle der Toten sowie kurze Porträtgeschichten, um den Gestorbenen ein Gesicht zu geben. Das Buchprojekt wurde von zahlreichen Organisationen unterstützt, darunter auch PRO ASYL und die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR). Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni erscheint nun die zweite, überarbeitete und aktualisierte Neuauflage des Buches.
Medico international und das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. fordern in ihrer gemeinsam gestarteten Petition "Bleiberecht statt Ausgrenzung" den Deutschen Bundestag auf: "Alle, die auf Dauer hier leben wollen, sollen zum Anlass des 70. Jahrestages des Grundgesetzes ein Bleiberecht erhalten." Für Geduldete und illegalisierte Menschen ist ein Leben in "Freiheit von Furcht und Not" nicht möglich. Ebendies ist jedoch laut Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zentrale Bedingung für "unantastbare Würde".
2. FLÜCHTLINGSPOLITIK
Informationen zur Flüchtlings- und Migrationspolitik BaWü, BRD und EU
"Migrationspaket" im Bundesrat gebilligt
Am 28. Juni hat der Bundesrat folgende Gesetze aus dem sog. "Migrationspaket" gebilligt: das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz", das Fachkräftezuwanderungsgesetz, das Asylbewerberleistungsgesetz und das Gesetz zur Beschäftigungs- und Ausbildungsduldung. Im Vorfeld der Sitzung hatten Flüchtlingsorganisationen an den Bundesrat appelliert, den Vermittlungsausschuss anzurufen, um die Gesetze im Hinblick auf einige gegen höherrangiges Recht verstoßende Regelungen überprüfen zu lassen. Besonders problematische Auswirkungen dürfte das Geordnete-Rückkehr-Gesetz haben. Es enthält u.a. eine Vermischung von Straf- und Abschiebungshaft, welche die Menschenwürde verletzt und klar dem Europarecht zuwiderläuft. Extrem problematisch ist außerdem die neue Möglichkeit, ausreisepflichtige Personen schon 30 Tage nach Ablauf ihrer Ausreisefrist in Ausreisegewahrsam zu nehmen — unabhängig davon, ob es Anzeichen dafür gibt, untertauchen zu wollen. Gleichzeitig soll im Rahmen der Abschiebung den Behörden ermöglicht werden, ohne richterlichen Beschluss die Wohnung der Betroffenen zu betreten und diese zum Flughafen zu bringen. Die Änderungen durch die einzelnen Gesetze sind auf der Homepage von PRO ASYL zusammengefasst.
Kritik an Gambia-Vorführungen perlt an der Bundesregierung ab
Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag: Probleme werden bestritten oder ihnen wird mit Gleichgültigkeit begegnet
Die Vorführungen von Personen die (mutmaßlich) aus Gambia stammen vor Delegationen der gambischen Regierung werfen bei vielen Betroffenen und Haupt- und Ehrenamtlichen Fragen auf. Einige dieser Fragen wurden in eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE aufgenommen und an die Bundesregierung gerichtet. Nun liegt die Antwort des Bundesinnenministeriums vor. Aus Sicht des Flüchtlingsrats werden viele problematische Phänomene, die aus der Praxis bekannt sind, entweder geleugnet oder mit einem Schulterzucken quittiert.
Pressemitteilung zum Runden Tisch am Rande der Innenministerkonferenz in Kiel
Auf Initiative des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein und des IMK-Vorsitzlandes Schleswig-Holstein hat anlässlich der in Kiel vom 12. bis 14. Juni tagenden Innenministerkonferenz am 11. Juni ein Runder Tisch mit Organisationen der Zivilgesellschaft stattgefunden. Erstmalig hatten dabei Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Selbstorganisationen sowie Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen Gelegenheit, in dieser Form ihre festgestellten Handlungsbedarfe an die tagenden Innenminister aus Bund und Ländern heranzutragen. Auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg war vertreten durch Julian Staiger, der erklärte, warum Abschiebungen nach Gambia in der aktuellen Situation unverantwortlich sind.
Verlängerter Abschiebestopp für Syrien bis Ende 2019
Uneinigkeit bei Abschiebungen nach Afghanistan
Auf der Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und Ländern vom 12. bis 14. Juni wurde der Abschiebestopp für Syrien erneut verlängert. Aufgrund der gegenwärtig "unübersichtlichen" Lage im Land gilt der Abschiebestopp bis Ende des Jahres. Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen forderten jedoch Ausnahmen, um bei einer Entspannung der Lage, Straftäter*innen und Gefährder*innen abschieben zu können. Ein aktualisierter Lagebericht zur Situation in Syrien soll im Herbst vorgelegt werden. Die Diskussion um Abschiebungen nach Afghanistan konnte auf der IMK nicht geklärt werden. MiGAZIN, 17.06.2019: Abschiebestopp für Syrer verlängert
Geplante Abschiebung nach Algerien endet tödlich
Pressemitteilung des Bündnisses für Bleiberecht vom 16. Juni 2019
In der oberschwäbischen Gemeinde Baienfurt, Landkreis Ravensburg, ist am vergangenen Freitag ein algerischer Asylbewerber bei dem Versuch, seiner Abschiebung zu entgehen, ums Leben gekommen. Medienberichten zufolge soll der 39-jährige Mann aus dem Fenster gesprungen sein als er in Gegenwart der Polizeibeamten einige persönliche Sachen zusammenpackte. Der mit einer deutschen Frau verheiratete Mann hat den Sturz aus dem dritten Stock nicht überlebt und sei noch an der Unfallstelle gestorben. Das Bündnis für Bleiberecht hat zu dem Vorfall eine Pressemitteilung herausgegeben. Ravensburg, 16.06.2019: Pressemitteilung des Bündnisses für Bleiberecht
Sea Watch 3 in Hafen von Lampedusa eingefahren — Kapitänin festgenommen
Die Sea Watch 3 ist am 29. Juni in den Hafen von Lampedusa eingelaufen. Über zwei Wochen war das Seenotrettungsschiff der deutschen NGO mit 42 geretteten Flüchtlingen und den 22 Mitglieder*innen der Besatzungmannschaft an Bord auf dem Mittelmeer umhergefahren, da es in keinen europäischen Hafen einfahren durfte. Die Situation an Bord spitzte sich in den letzten Tagen Medienberichten zufolge immer weiter zu. Die deutsche Kapitänin Carola Rackete entschloss sich daher, in italienische Gewässer einzufahren und steuerte den Hafen der italienischen Insel Lampedusa an. Nach der Landung wurde die Kapitänin von den italienischen Behörden festgenommen, ihr droht eine hohe Geld- bzw. Haftstrafe. Einige deutsche Politiker*innen wie z.B. Bundespräsident Steinmeier sowie auch einige prominente Personen fordern die Freilassung der 31-Jährigen. Für Carola Rackete wurde eine Online-Petition eingereicht. Unterstützen kann man darüber hinaus auch durch eine Spende an den Rechtshilfefonds von Sea Watch. Süddeutsche Zeitung, 29.06.2019: "Sea Watch 3"-Kapitänin Rackete festgenommen Welt, 30.06.2019: Steinmeier kritisiert Italien im Fall Rackete
Familiennachzug aus Griechenland: Drei Viertel der Anträge abgelehnt
Linke kritisiert unangemessen hohe Anforderungen des BAMF
Das Recht, als Familie zusammenleben zu können, ist in den Grund- und Menschenrechten verankert. Dennoch werden derzeit drei Viertel der Anträge auf Familiennachzug von Flüchtlingen aus Griechenland vom BAMF abgelehnt. Die Anerkennungsquote für den Nachzug von Familienmitgliedern lag vor nur zwei Jahren noch bei 90 Prozent. MiGAZIN, 03.06.2019: Familiennachzug aus Griechenland: Drei Viertel der Anträge abgelehnt
Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien
Am 23.05.2019 berichtete das ARD-Magazin Monitor über die Situation von Geflüchteten in Italien. Zehntausende Geflüchtete haben in Italien ihr Recht auf Unterbringung verloren und leben dort auf den Straßen in der Obdachlosigkeit. Trotz des Wissens über die Zustände schiebt Deutschland weiter Geflüchtete im Rahmen der Dublin-III-Verordnung nach Italien ab. Es gelte der "Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen der Mitgliedstaaten der EU" lässt das Bundesinnenministerium auf Anfrage der ARD verlauten. Welche Umstände viele Geflüchtete in Italien erwarten, zeigt die Recherchearbeit von Monitor. Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat Anfang Mai einen Bericht über die aktuelle Situation Geflüchteter in Italien herausgegeben; ebenfalls hat die Organisation borderline-europe eine Stellungnahme veröffentlicht. In beiden Dokumenten finden sich ausführliche Informationen über das Unterbringungssystem Italiens und Analysen über die Auswirkungen der Salvini-Gesetze für die in Italien schutzsuchenden Menschen. Ein Bestandteil des Gesetzes stellt die Abschaffung des humanitären Schutzstatus dar. Monitor, 23.05.2019: Hilflos, obdachlos, chancenlos: Das Elend der Flüchtlinge in Italien Schweizer Flüchtlingshilfe, Mai 2019: Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien borderline europe, Mai 2019: Stellungnahme zu der derzeitigen Situation von Geflüchteten in Italien mit besonderem Blick auf die Unterbringung
In aller Kürze:
MiGAZIN: Klimaflüchtlinge eher willkommen als Wirtschaftsflüchtlinge
Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) zeigt, dass die Einstellung gegenüber Klimaflüchtlingen in Deutschland sehr positiv ist. Flüchtlinge, die ihr Land wegen den Folgen des Klimawandels verlassen, werden demnach mehr akzeptiert und willkommen geheißen als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge. "Klima" sei, so die Studie, für viele der Befragten ein legitimer Fluchtgrund, für den "sie selber nicht verantwortlich gemacht werden können". Eine vollständige Abgrenzung zwischen beiden Fluchtgründen ist oft jedoch gar nicht möglich.
Vertrieben, vergiftet und vergessen
20 Jahre nach dem Kosovo-Konflikt erinnert die Rosa-Luxemburg-Stiftung an ein weitgehend unbekanntes Kapitel dieser Geschichte: Die gewaltsame Vertreibung der Minderheiten — neben Serb*innen auch Rom*nija, Ashkali und Ägypter*innen — durch albanische Nationalist*innen unter den Augen der NATO-Truppen in der unmittelbaren Nachkriegszeit.
3. Aus der Rechtsprechung
VG Freiburg zum Familienasyl: Unverzüglich heißt nicht immer zwei Wochen
Mit Urteil vom 16. April 2019 (Aktenzeichen: A 5 K 2488/18) hat das VG Freiburg entschieden, dass auch ein mehr als vier Wochen nach Einreise gestellter (förmlicher) Asylantrag ausnahmsweise noch unverzüglich im Sinne der Vorschriften über das Familienasyl (§ 26 AsylG) sein kann.
Rechtsprechungsübersicht vom Informationsverbund Asyl & Migration zum Schutzstatus von Eritreer*innen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben
Asylsuchenden aus Eritrea wird, seitdem sich die BAMF-Entscheidungspraxis hierzu geändert hat, häufig nur noch subsidiärer Schutz statt die Flüchtlingsschutz zuerkannt. Eine in diesen Fällen häufig diskutierte Frage ist, welcher Schutzstatus Personen zu gewähren ist, die sich dem Nationaldienst durch Flucht entzogen haben. Die Gerichte hatten Betroffenen in solchen Fällen vielfach Flüchtlingsschutz zugesprochen, inzwischen wird aber vermehrt verneint, dass die drohende Verfolgung flüchtlingsrelevant sei. Informationsverbund Asyl & Migration: Rechtsprechungsübersicht: Welcher Schutzstatus ist bei Entziehung vom Nationaldienst in Eritrea zu gewähren?
4. Neue Publikationen & Materialien
Infoportal für Geflüchtete nun auch auf Türkisch
Elfte Sprachversion von "W2BW" geht online
Das Infoportal www.w2bw.de, das im Rahmen des Projekts "Welcome2BW", an dem der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg beteiligt ist, entstanden ist, steht nun auch in türkischer Sprache zur Verfügung. Das Portal, das Basisinformationen zu Themen wie Asylverfahren, Unterbringung, Bildung, Arbeit sowie Freizeit und Alltag beinhaltet, ist damit nun in insgesamt elf verschiedenen Sprachen verfügbar. Das Projekt "Welcome2BW" wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds sowie durch die UNO-Flüchtlingshilfe kofinanziert. W2BW.de (Türkisch)
Arbeitshilfen zum Asyl- und Klageverfahren bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Der BumF, der Flüchtlingsrat Thüringen und der Flüchtlingsrat Niedersachsen haben drei kurze Arbeitshilfen zum Asyl- und Klageverfahren erstellt, die sich an Vormünder*innen und andere Personen, welche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) und junge volljährige Geflüchtete begleiten und beraten, richten.
Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Das Asylverfahren. Deine Rechte, deine Perspektiven
Eine neue Broschüre des Flüchtlingsrat Niedersachsen erklärt das Asylverfahren für minderjährige Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind — von der Einreise bis zum 18. Geburtstag. Die Broschüre soll das Ankommen erleichtern und ist in einfacher Sprache verfasst. Flüchtlingsrat Niedersachsen, Mai 2019: Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Das Asylverfahren. Deine Rechte, deine Perspektiven
Wegweiser "Gesundheit für alle" auf verschiedenen Sprachen
Das Ethno-Medizinische Zentrum e.V. hat einen Wegweiser „Gesundheit für alle" konzipiert, der auch vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird. Der Wegweiser vermittelt in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund grundlegende Informationen zur Gesundheit und zum Gesundheitswesen. Er enthält auch Vorschläge, wie man sich im Krankheitsfall oder bei notwendiger Vorsorge verhalten kann. Weitere Informationen betreffen u.a. Fragen zur Krankenversicherung, Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen und Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherung. Die erste Auflage des Wegweisers liegt in 14 Sprachen vor. Zu diesen zählen neben Türkisch, Arabisch, Polnisch und Russisch weitere neun Sprachen. Zusätzlich wird auch eine deutschsprachige Version angeboten. Der Wegweiser ist besonders zur Weitergabe an Migrant*innen durch Gesundheitsdienste sowie durch Fachkräfte der Beratung und Behandlung geeignet. Der Wegweiser kann hier kostenlos bestellt werden und steht auch als Download zur Verfügung.
5. Veranstaltungshinweise
02.07.2019
Vortrag: "Die Situation von Flüchtenden in Libyen" mit Dr. med. Stöbe
Am 2. Juli wird der deutsche Internist und Rettungsmediziner Dr. med. Tankred Stöbe in Reutlingen zu Gast sein. Mit "Ärzte ohne Grenzen" ist er seit Jahren in Kriseneinsätzen weltweit unterwegs. Im April diesen Jahres ist sein Buch "Mut und Menschlichkeit: Als Arzt weltweit in Grenzsituationen" erschienen, in dem er über seine Erlebnisse und die daraus resultierenden Erkenntnisse erzählt. Bei dem Vortragsabend wird er anhand seiner eigenen Erfahrungen über die Situation von Flüchtenden in Libyen berichten. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Einladung zum Vortragsabend
02.07.2019 / 20.08.2019
Webinar "Einführung in das Phänomen Menschenhandel und Handlungsmöglichkeiten für Fachkräfte in Unterkünften für Geflüchtete"
KOK Webinar am 2. Juli und 20. August, 11:00-12:30 Uhr
Menschen auf der Flucht sind besonders gefährdet, Gewalterfahrungen zu machen oder Opfer von Ausbeutung zu werden. Diese Gefahr besteht auch noch im europäischen Kontext. Besondere Schutzrechte für Betroffene von Menschenhandel können nur wahrgenommen werden, wenn sie als solche erkannt werden. Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (KOK) bietet dieses Jahr wieder ein kostenfreies Angebot mit umfassenden Informationen zum Thema Menschenhandel im Kontext von Flucht an. Das Angebot richtet sich u.a. an Sozialarbeiter*innen, Asylverfahrensberater*innen, Gewaltschutzkoordinator*innen, Sicherheitspersonal, Kinderbetreuer*innen in Flüchtlingsunterkünften und ehrenamtliche Unterstützer*innen. Das Webinar wird zweimal stattfinden: am 2. Juli und am 20. August, jeweils von 11:00-12:30 Uhr. Zur Teilnahme wird lediglich ein PC mit Internetzugang sowie Headset oder Lautsprecher benötigt. Unter www.attendee.gotowebinar.comoder über die KOK-Webseite können Sie sich jederzeit für das Webinar anmelden. Alle weiteren Informationen finden Sie auf der Einladung des KOK: Einführung in das Phänomen Menschenhandel und Handlungsmöglichkeiten für Fachkräfte
05.07.2019
Leuchtlinie-Workshop "An der Seite der Betroffenen von rechter Gewalt"
LEUCHTLINIE ist eine Hilfs- und Anlaufstelle für alle Menschen in Baden-Württemberg, die von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, direkt oder indirekt, betroffen sind. Der Workshop in Kooperation mit dem Regionalen Demokratiezentrum Karlsruhe soll Einblicke in die Arbeit und Handlungsgrundlagen der Fachstelle LEUCHTLINIE geben. Außerdem sollen gemeinsam die Auswirkungen rechter Gewalt auf die gesamte Gesellschaft sowie die Folgen für Betroffene herausgearbeitet werden. Schlussendlich wird auch die Frage nach Handlungsmöglichkeiten und Unterstützungsformen erörtert. Weitere Infos zum Workshop Zur Anmeldung über die Website
Die Ausstellung veranschaulicht die Lebensrealitäten von Kindern, die in ihrer Heimat und auf der Flucht Traumatisierendes erlebt haben, durch in den Therapien entstandene Bilder. Speziell auf der Vernissage, die am 5. Juli in der Galerie der Südwestpresse stattfindet, soll die Arbeitsweise mit "diesen tapferen und mutigen Kindern" erklärt werden. Anschließend werden die malerischen Eindrücke und Kunstwerke bis zum 15. September im Haus der Stadt Ulm, Abteilung Soziales, Moltkestraße 20, 89077 Ulm ausgestellt sein. Einladung zur Vernissage in Ulm am 05.07.2019
06.07.2019
Tagesfortbildung "Aktiv für Flüchtlinge" in Biberach
Samstag, 6. Juli, 10.00-13.00 Uhr und 14.00-17.00 Uhr, uBUNTu, Waldseerstraße 12/1, 88400 Biberach Die Tagesfortbildung soll fundierte Kenntnisse und Handlungskompetenzen für die Beratung und Begleitung geflüchteter Menschen vermitteln. Themen sind: Aktuelle Entwicklungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie rechtliche Handlungsoptionen nach einem abgelehnten Asylantrag. Die Teilnahme erfordert keine Vorkenntnisse — alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Die Fortbildung findet auf Deutsch statt. Referent: Seán McGinley (Flüchtlingsrat Baden-Württemberg) Veranstalter: IFF, unterstützt vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und gefördert durch das Land Baden-Württemberg, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Rahmen des Projekts "Aktiv für Flüchtlinge 2019". Anmeldung: per E-Mail an dagmar-ruedenburg@t-online.de
13.-20.07.2019
Wanderausstellung und Aktionswoche 2019: [flucht...]
Samstag, 13. Juli bis 20. Juli, Kartoffelmarkt Freiburg
Durch Kunst und Bildung, will das Projekt [lampedusa calling] Menschen in Dialog bringen und den interkulturellen Austausch in der Gesellschaft fördern. Vom 13. bis 20. Juli wird auf dem Kartoffelmarkt in Freiburg eine Wanderausstellung zum Thema "Flucht" und Integration, die mit geflüchteten Jugendlichen enstanden ist, ausgestellt sein. Über 30 Freiburger Akteur*innen regen mit ihren Aktionen den Diskurs zu Werten und Vielfalt an. Programmheft Aktionswoche 2019: Wanderausstellung in Freiburg
IN EIGENER SACHE:
"Reflektiert engagiert?" — Tagung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg
Am 13. Juli findet unsere nächste Tagung statt. Es erwartet Sie ein Hauptvortrag zu den Nachwirkungen kolonialer Mechanismen in der Gegenwart sowie verschiedene Arbeitsgruppen, u.a. zu den Themen Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung, Gambia und Umgang mit schwierigen Situationen in der Geflüchtetenunterstützung. Hier finden Sie das Veranstaltungsprogramm.
"Menschen & Rechte sind unteilbar" — Rundbrief zum Tag des Flüchtlings bestellbar
Auf der Homepage des Flüchtlingsrats BW kann nun der Rundbrief zum Tag des Flüchtlings bestellt werden (Schutzgebühr 2 €).
Solidarität braucht Solidarität! Unterstützen Sie unsere politische und praktische Arbeit für Flüchtlinge durch eine Mitgliedschaft, eine Fördermitgliedschaft oder eine Spende an: Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. , GLS Bank, BLZ 430 609 67, Kto. Nr. 70 07 11 89 01, IBAN: DE66 4306 0967 7007 1189 01, BIQ: GENODEM1GLS
Autor*innen der Beiträge: Seán McGinley, Melanie Skiba, Sebastian Röder, Laura Gudd, Volker Löffler, Stella Hofmann, Julia Streib, Ernst-Ulrich Henning, Eva-Marieke Wiesner Redaktion: Seán McGinley, Melanie Skiba, Klaus Harder
Wenn Sie den Newsletter abbestellen wollen, schicken Sie uns bitte eine E-Mail an info@fluechtlingsrat-bw.de.
Der Newsletter wird im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ gefördert durch das Land Baden-Württemberg, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration. Der Flüchtlingsrat BW wird außerdem unterstützt durch PRO ASYL, das Diakonische Werk Württemberg, die Evangelische Kirche Baden, die UNO-Flüchtlingshilfe, die Diözese Rottenburg-Stuttgart und die Deutsche Postcode Lotterie.